Das erste Jahr ihrer Ehe
kochendem Pferdefleisch drang ins Schlafzimmer. Es war ein abstoßender Geruch. Margaret wusste, dass sie sich nie an ihn gewöhnen würde. Das Fleisch war für die Hunde.
»Brauchen wir da – ich weiß nicht – Anleitung?«, fragte Margaret.
»Ach, Arthur wird schon alles in die Hand nehmen.«
Das Fleisch hatte James wahrscheinlich früher am Tag von der Duka, einem kleinen Laden, mitgebracht, in die blutgetränkten Seiten der Kenya Morning Tribune verpackt. Es würde sich kaum von dem Rindfleisch unterscheiden, das Margaret für sich und Patrick einkaufte, die Steaks zu frisch, nicht abgehangen und deshalb zäh, mit einem Geschmack nach totem Tier.
»Wie hoch ist der Mount Kenya?«
»Ungefähr fünftausendeinhundert Meter.«
»Mehr als fünf Kilometer hoch.«
»Na ja, wir sind ja hier schon um die sechzehnhundert Meter über dem Meeresspiegel. Und ich vermute, auf der Fahrt in die Berge werden wir auch noch etwas an Höhe gewinnen.«
»Also ist der Kilimandscharo höher?«, fragte Margaret.
»Höher, aber leichter zu besteigen. Ich glaube, da kann man ganz gemütlich zum Gipfel hinaufspazieren. Immer im Kreis herum. Das dauert eine Weile, aber es ist für die meisten Amateure zu schaffen. Es ist angeblich ziemlich langweilig.«
Patrick zog die schmutzverkrusteten braunen Lederschuhe aus, die er jeden Tag trug. Wenn er sie am Abend vor die Tür stellte, waren sie am Morgen sauber.
»Und wir spazieren nicht?«
»Wir klettern. An manchen Stellen wird es ganz schön anstrengend.«
Margaret stellte sich Dianas Landrover vor, wie er, vollgepackt mit Ausrüstung, durch die schimmernden lindgrünen Teeplantagen fuhr, die sie nur von ferne gesehen hatte.
Das Gästezimmer schien für einen Schriftsteller oder Gelehrten gedacht. Margaret setzte sich manchmal an den massigen geschnitzten Schreibtisch, auf dem eine uralte Schreibmaschine stand. Sie hatte sie einmal ausprobiert und war bei jedem klappernden Anschlag der Tasten zusammengezuckt, als würde etwas Zartes, schüchtern Suchendes mit Trommelschlag angekündigt.
Der Schreibtischstuhl hatte geschnitzte Armlehnen und eine fast silbrige Patina. An den Wänden hingen Fotografien von Leuten, die sie nicht kannte, ein hölzerner Schild, der vielleicht in einem Kampf benutzt worden war, und ein Fächer strahlenförmig angeordneter Speere. Die in Leder gebundenen Bücher sahen alle gleich aus und waren, ihrem Zustand nach zu urteilen, häufig gelesen worden. Margaret stellte sich einen frühen Siedler vor, dem in Nairobi das gedruckte Wort einzig in Form der Bücher verfügbar gewesen war, die er bei Laternenlicht immer wieder gelesen hatte. Bisweilen nahm sie eines von ihnen zur Hand.
Auf der anderen Seite des Raums stand ein Frisiertisch mit bodenlangem Volant von der Art, wie man sie manchmal in alten Filmen sah. In der Glasplatte spiegelten sich Kristalldosen mit silbernen Deckeln. Vielleicht war dies das Zimmer von Dianas Eltern gewesen, die das Haus in den späten Vierzigern des vergangenen Jahrhunderts gebaut hatten. Sie waren nach dem Krieg aus England hierhergekommen, um sich in der Pferdezucht zu versuchen. Margaret nahm eine Fotografie des Paares zur Hand, beide so extravagant gekleidet, als wollten sie zu einem Fest im Muthaiga Country Club. Das Gesicht des Vaters war wettergegerbt; die Mutter hatte ein hübsches, zartes Lächeln. Als Kind hatte Diana wahrscheinlich ständig zu hören bekommen, dass sie ihrem Vater ähnlich sehe.
Margaret musste an die Geschichte von dem jungen Massai denken, dem ein amerikanischer Wohltäter, beeindruckt von seinem Witz und seiner ihm eigenen Intelligenz, die Chance geben wollte, sein Glück in New York zu versuchen. Zwei Monate nach seiner Ankunft sprang der junge Mann aus dem Fenster seiner im zehnten Stockwerk gelegenen Wohnung in den Tod. Sie vermutete, dass die Sehnsucht nach dem Rift Valley dem Massai das Herz gebrochen oder die graue Geometrie der Stadt seinen Verstand verwirrt hatte. Die Anekdote sollte lehrreich sein. Aber Margaret war sich nicht sicher, welche Lehre aus ihr zu ziehen war. Dass man einen Menschen nicht verpflanzen sollte? Oder dass, wenn dies geschah, lebensgefährliche Verstörung drohte?
Einmal, als Patrick und Margaret über ein langes Wochenende in die Serengeti gefahren waren, hatten sie bei ihrer Rückkehr das Schlafzimmer ihres Cottage ausgeräumt vorgefunden. Unberührt war einzig die Schublade mit Margarets Unterwäsche, in der sie ihre Pässe aufbewahrte. Es bewies, wie
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