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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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winzigen Laternenflamme. Skip bedachte alles, was sie ihm erzählt
     hatte.
Magie.
Konnte es wirklich sein, dass er die Befähigung, Magie zu wirken, in sich trug? Wenn es so war, warum hatte man ihn nicht
     gleich nach der Geburt getötet? Was hatte Ayalla gemeint, als sie ihn fragte:
Warum ließ man dich leben?
Wie hatte er der Probe entgehen und überleben können? Und warum?
    Und falls er tatsächlich eine besondere Gabe in sich trug, |356| wie konnte er herausfinden, welcher Art sie war? Wie konnte er lernen, sie zu nutzen?
    Dagmaras Worte riefen so viele Fragen hervor. Sie alle zu bedenken, war überwältigend. Plötzlich befiel ihn eine große Müdigkeit
     und er sah sich kaum noch imstande, gerade zu sitzen.
    Dagmara erhob sich, und ihre Bewegung ließ die Laternenflamme erlöschen. »Es ist Zeit, schlafen zu gehen. Wir werden wieder
     miteinander reden, Skip. Bis dahin magst du gelernt haben, mir mehr zu vertrauen.«
    Sie geleitete ihn durch die Nacht, hin zu jenem großen Zelt, das er sich mit Erle und etwa zwanzig jüngeren Männern des
Stammes
teilte. Die Geräusche ferner Fröhlichkeit waren verklungen. Langsam sank das Lager in Schlaf. Ein kühler Wind strich über
     die Or’hallas, es roch betäubend intensiv nach feuchtem Gras, unendlichen Weiten und Abenteuern. Dagmara verabschiedete sich
     mit einem Nicken, doch bevor sie davonging, überlegte sie es sich anders und sagte: »Einen Rat will ich dir noch geben, Skip:
     Nimm dich in Acht vor der Olivianerin. Sie ist weit mehr, als sich dem Auge offenbart.« Damit wandte sie sich endgültig ab
     und verschwand in der atmenden, raunenden, duftenden Finsternis.
    Erles Platz neben dem seinen war leer. Skip legte sich nieder; er war entschlossen, auf den Bruder zu warten, doch bevor er
     sich’s versah, trieb sein Geist bereits in das Reich der Träume hinüber. Eine in schwarze Roben gehüllte Priesterschar erwartete
     ihn dort bereits, und er hatte sich ihrer zu erwehren. Blankgezogene Schwerter blitzten in ewigem Dämmerlicht auf und er vermochte
     gerade noch, sich daran zu erinnern, dass den Heiligen Brüdern Waffen aller Art verboten waren; dann drangen sie, aus allen
     Richtungen kommend, rücksichtslos vor und hieben mit tollwütiger Wildheit auf ihn ein. Glutheißer Schmerz wandelte sich in
     Schwäche und dann in Vergessen.

|357| Der Mann ohne Gesicht
    Der Kapuzenkopf des Allheiligen Vaters Haghos reckte sich vor, und spärliches Sonnenlicht betupfte eine knochige Kieferlinie
     und die Spitze einer Hakennase – jedoch nur kurz, als habe die Berührung alles Helle sogleich ersterben lassen. Schon im nächsten
     Moment war die ewige Dämmernis inmitten der himmelhohen Wälle des Klosterhofes wieder allgegenwärtig. Bruder Boydos, der aus
     dem Dunkel des westlichen Säulenganges heraus beobachtete, kam der Gedanke, dass Seine Heiligkeit in diesem Moment und an
     diesem Ort aussah, als habe er überhaupt kein Gesicht.
    Haghos sprach mit drei Priestern. Zumindest suchten jene drei mit ihren Roben den Eindruck zu erwecken, sie seien Priester.
     Bruder Boydos jedoch sah den drei Fremden, einem älteren vorne und zwei jüngeren hinter ihm, selbst über zwanzig Schritt Entfernung
     an, dass sie das
nicht
waren.
    Assassinen vielleicht?
Nein. Obgleich von athletischem Körperbau wie Kämpfer, mangelte es den Bewegungen der Fremden an jener katzengleichen Einzigartigkeit,
     die selbst die kleinste Geste hochrangiger Assassinen der Majat-Gilde noch auszeichnete.
    Die Männer hatten ihre Kapuzen zurückgestreift. Von seinem Beobachtungsposten aus vermochte Bruder Boydos deutlich ihre Gesichter
     zu sehen; hart und abgebrüht schimmerten sie im Dämmer des Hofes, doch mit dem glasigen Ausdruck von Furcht auf die gesichtslose
     Gestalt vor ihnen gerichtet.
    Sie haben versagt
, nahm Bruder Boydos an,
und so dürften wir ihren Anblick nicht mehr lange zu ertrgen haben.
    Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die von der Kapuze überschattete Gestalt des Allheiligen Vaters. Er fürchtete |358| sich nicht, dieses Gespräch zu belauschen. Seine Heiligkeit wusste, dass er sich in nächster Nähe aufhielt. Es gehörte zu
     seiner Pflicht als Oberster Inquisitor, zu wissen, was innerhalb und außerhalb der Klostermauern vorging, sei es durch eigenes
     Gehör oder dasjenige seiner Spitzel und Vertrauten. In der Tat bereitete ihm nur eines Sorge – nämlich, dass er sich durch
     seinen Aufenthalt in den tiefen Verliesen verspätet hatte. So war es ihm nicht

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