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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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glauben, er hatte ein schwächliches Herz!« Er wandte sich zu seinen Gefährten um,
     suchte ihren Beistand, doch stattdessen wichen die beiden zurück und senkten den Blick.
    Sie sind wahrlich keine Narren
, dachte Bruder Boydos und verzog das Gesicht.
Diese zwei dürften also überleben.
    Selbst,
wenn
es so kam: Er war sich nicht sicher, ob er sie um das beneidete, was sie danach erwartete.
    »So, so, ein schwächliches Herz«, wiederholte Seine Heiligkeit. Jedem unbeteiligten Beobachter wäre seine Stimme nachdenklich
     vorgekommen. Bruder Boydos jedoch, der jeden noch so versteckten Unterton in des Allheiligen Vaters |361| Stimme auf’s Genaueste studiert hatte, wusste – er war außer sich vor Zorn. »Aber irgend etwas müsst ihr doch in Erfahrung
     gebracht haben, mein Sohn?«
    »Wir befragten ihn nach dem Schwert, Allehrwürdiger!«, beteuerte der Mann hastig. »Anfangs sträubte er sich, aber als er starb,
     da meinten wir ihn ›Schmiede‹ sagen zu hören.«
    »Meintet ihr.«
    »Wir alle haben es gehört!« Der Mann ruckte herum und warf den Gefährten abermals einen Blick zu – und abermals fand er keinen
     Beistand. »Also zogen wir zur Schmiede und nahmen sie Stein für Stein auseinander. Auch das Haus des Schmieds haben wir durchsucht,
     der Mann war völlig ahnungslos. Aber auch dort war das Schwert nicht zu finden.«
    »Habt ihr den Schmied einem Verhör unterzogen?« Überwältigende Geduld strahlte von dem Mann ohne Gesicht aus.
    »Heimlich schlich er sich an uns heran, Heiligkeit!«, antwortete der Mann ausweichend mit zittriger Stimme. »Bewaffnet mit
     einer großen Axt. Wir   ... wir haben auf ihn eingeschlagen, uns blieb keine Wahl, wir mussten sichergehen, dass er sich uns nicht in den Weg stellt.
     Ich glaube, wir haben ihn getötet.«
    »So, so. Das glaubst du.«
    Nichts im Tonfall des Allheiligen Vaters veränderte sich. Trotzdem wusste Bruder Boydos: die Unterhaltung war beendet. Er
     betrachtete den vor Seiner Heiligkeit stehenden Mann, betrachtete ihn fast mitleidsvoll – er war bereits kein menschliches
     Wesen mehr; er war nur noch ein Insekt, das schon im nächsten Moment zertreten wurde. Der Gedanke an den Vollzug des unausgesprochenen
     Urteils trieb Boydos einen Aufruhr schuldbewusster Vorfreude über’s Rückgrat. Gewaltsam riss er alle Gedanken von den krankmachenden
     Bildern hinfort und konzentrierte sich auf das, was nun geschehen musste.
    |362| Eine in der langen, dunklen Robe verborgene Hand schnippte mit den Fingern. Der trockene, harte Laut hallte von den steinernen
     Wällen des Hofes wider.
    Binnen eines Wimpernschlages tauchten zwei Kapuzengestalten aus dem östlichen Säulengang auf und gesellten sich mit einer
     Verbeugung dem Allheiligen Vater zur Seite.
    »Unser Meister Gallen hier hat Schwierigkeiten damit, einen Mann lange genug am Leben zu erhalten, auf dass er einer Befragung
     unterzogen werden kann«, sagte der Allheilige Vater im Plauderton. »Er glaubt, ein schwächliches Herz sei Entschuldigung genug
     für einen raschen Tod. Zeigt ihm, wie viele Möglichkeiten uns zur Hand gegeben sind, einen Mann so lange am Leben zu erhalten
     wie nötig.«
    Die Kapuzenmänner verbeugten sich erneut und setzten sich in Bewegung. Sie ignorierten des Mannes flehenden Blick, ergriffen
     ihn fest bei den Armen und zerrten ihn mit sich. Der Mann stieß ein kurzes Keuchen aus. Seine Blicke suchten panisch das Schattengesicht
     Seiner Heiligkeit. »In Shal Addims Namen erflehe ich Eure Gnade, Allheiliger Vater!«, japste er.
    Jene beiden, die ihn fortschleiften, nahmen seine Arme in einen peinigenderen Griff, und der Mann schrie laut auf vor Schmerz.
    Inquisitoren
, dachte Bruder Boydos voller Befriedigung.
Meine Männer. Sie verstehen sich auf ihre Arbeit.
    »Bitte, Allheiliger Vater!«, winselte der Mann, und sein Gesicht erinnerte an Pergament, kurz bevor es zerfetzt. Doch Haghos
     ignorierte ihn und wandte sich stattdessen seinen Gefährten zu.
    »Ihr werdet ihm Gesellschaft leisten«, befahl er ihnen, nun wieder mit stählernem Klang in der Stimme. »Ihr werdet mitansehen,
     was ihm widerfährt, und lernen, wie man einen Mann so lange wie nötig lebendig und bei Bewusstsein erhält. Enttäuscht mich
     niemals wieder!«
    |363| Die Männer verbeugten sich. In ihren Gesichtern spiegelte sich panisches Grauen. So sehr zitterten sie, dass Bruder Boydos
     schon glaubte, sie würden in Ohnmacht fallen.
    Schwächlinge!,
durchzuckte es ihn.
Sie werden Dinge zu sehen

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