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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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bekommen, die sie ein Leben lang nicht mehr vergessen. Die Hölle auf Erden.
Dennoch fragte er sich, ob man ihnen
danach
noch einmal vertrauen sollte.
    Jener, den der Allehrwürdige
Gallen
genannt hatte, begriff nun allmählich, was ihm bevorstand. Er wand und krümmte sich im Griff seiner Häscher – und handelte
     sich nur noch größeren Schmerz ein.
    »Bitte – nein!«, kreischte er. »Bitte, Allheiliger Vater, in Shal Addims Namen, habt Mitleid! So viele Jahre hab ich Euch
     treulich gedient! Ich werde alles tun, um meinen Fehler wieder gutzumachen! Alles! Bitte!«
    Die Kapuzenmänner schleiften ihn ins Dunkel des Säulenganges an der Ostmauer davon, und seine beiden Gefährten folgten ihnen
     nach. Blasser noch als der leibhaftige Tod sahen sie aus.
    »Stellt sicher, dass euch nichts entgeht!«, rief der Allheilige Vater hinter ihnen her. »Sobald mir berichtet wird, dass eure
     Augen auch nur einen einzigen Lidschlag lang geschlossen waren oder dass einer von euch die Besinnung verloren hat, werdet
     ihr beide sein Schicksal teilen!«
    Die Männer verbeugten sich noch einmal, viel zu verängstigt, um auch nur ein Wort herauszubringen; dann schluckte die Schwärze
     auch sie.
    Bruder Boydos machte sich bereit. Die Schatten waren ihm nicht länger Tarnung. Tatsächlich wandte sich des Allehrwürdigen
     kapuzenüberschattetes Gesicht nun ihm zu. Aus den Tiefen eines Robenärmels hervor winkte eine bleiche Hand. »Kommt her zu
     mir, Bruder Boydos!«, forderte Seine Heiligkeit.
    Der Oberste Inquisitor senkte den Blick, trat aus dem Säulengang |364| hinaus und überwand gemessenen Schrittes die Distanz zwischen ihnen beiden. Gallens Schreie waren noch immer zu hören, doch
     wurden sie bereits schwächer. Boydos zwang alle Erinnerung an den Mann aus seinem Verstand.
    »Ihr habt alles gehört, Inquisitor«, stellte Haghos fest; in der Schattenfläche, die sein Gesicht bezeichnete, gleißte kurz
     etwas auf – als sei fern ein Blitz vom Himmel gefahren.
    »Ja, Allheiliger Vater.« Wieder neigte Bruder Boydos den Kopf. »Diese drei haben ihre Aufgabe nicht erfüllt.«
    »Nein, wahrlich nicht!« Des Allehrwürdigen Stimme klang gefasst. »Es war falsch von mir, sie mit einer solch wichtigen Mission
     zu betrauen.«
    Bruder Boydos riskierte einen unterwürfigen Blick. Das unsichtbare Gesicht war ihm bereits nicht mehr zugewandt, die Augen
     in den Schatten hatten sich auf einige Grashalme gerichtet. Einsam reckten sie sich in der Mitte des steinernen Hofes empor.
     Erst beim zweiten, genaueren Hinsehen fiel Bruder Boydos auf, dass sich unter ihnen eine winzige blaue Blume befand, die kränkliche
     Blütenblätter ausbreitete, um im Dämmerlicht dieser Ödnis, fern des wärmenden Sonnenlichts, zu überleben.
    Der gepflasterte Grund des Hofes wurde nur selten von Sonnenstrahlen heimgesucht. Zu hoch ragten die Mauern ringsumher empor.
     Das war einer der Gründe, weshalb Seine Heiligkeit genau diesen Ort für private Audienzen bevorzugte.
    »Ihr habt ergänzende Vorkehrungen getroffen, Allehrwürdiger«, sagte Bruder Boydos. Auch dies war keine Frage. Obgleich nicht
     eingeweiht in den Plan, kannte er Haghos doch viel zu gut, um sich dem Irrglauben hinzugeben, diese wichtige Mission sei tatsächlich
     allein in die Hände dreier Söldner gelegt gewesen, noch dazu solch unfähiger. Gallen und seine Männer waren ein Köder gewesen,
     sie sollten scheitern, von Anfang an – und das Wild aufscheuchen. Genau |365| wie jene verrückte Probe, die Prior Daniolos in den Wirrholz- und Haindörfern durchzuführen angewiesen worden war; auch sie
     diente allein dazu, das Wild aufzuscheuchen. Ein Ablenkungsmanöver war dies alles, um die Gegenspieler in ständiger Bewegung
     zu halten. Sie alle wussten nur zu gut, womit sie es hier zu tun hatten.
    »Ja.« Seine Heiligkeit betrachtete noch immer die kleine blaue Blume. Bruder Boydos folgte seinem Blick und nun gewahrte er
     auch jenen winzigen Tautropfen, der juwelengleich im himmelblauen Blütenkelch glitzerte.
    Der Oberste Inquisitor wartete geduldig. Er wusste – der Allheilige Vater hasste Fragen. Über die Jahre hatte er sich an diese
     Art des Gesprächs gewöhnt; nur dann etwas zu äußern, wenn er sich seiner ganz sicher war, und Stille zu wahren, wenn nicht.
     Befragungen waren den Opfern der Inquisition vorbehalten.
    Fragen sind Ghaz Kadans schändliches Handwerkszeug,
sagte das
Buch der Gebote
.
Jener aber, der Fragen stellt, überantwortet seine unsterbliche Seele

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