Das erste Schwert
Haben wir uns verstanden?« Und damit ließ er Skip, Erle und einen beleidigt schmollenden Hazz stehen
und allein zusehen, wie sie mit dem Schaden klarkamen.
»Alsdann!«, brummte Erle, während er bereits die Ärmel hochkrempelte und beeindruckend muskulöse Unterarme entblößte. »Mach
los, Skip.«
»Na, klar!« Skip zwinkerte Hazz zu und ging zu dem Trümmerfeld in der Ecke hinüber. »Ich denke, ich werd’ mich erst einmal
sammeln und dir zugucken, wie’s richtig gemacht werden muss. Aber nur, wenn du ohne meine Hilfe zurecht kommst, Erle.«
»Ja, freilich!«, sagte Erle, bückte sich und hob eine Kiste an, die auf den ersten Blick kaum versehrt wirkte. »Eins, zwei –«
|52| Sie brauchten fast den ganzen Vormittag, um die zerschlagenen Kisten zu verschnüren und auf den Karren zu laden. Das Alteisen
einzusammeln, war kein Problem; die Wolle und den unversehrten Rest des Riedgrastuches zu bergen, kostete schon etwas Fingerspitzengefühl.
Die Gewürze allerdings waren verloren. Jetzt mussten sie das nur noch Baba Yagna beibringen und ihren Zorn über sich ergehen
lassen.
Zu guter Letzt sicherten sie die gesamte Ladung mit einem langen Tau, das Hazz ihnen brachte – und atmeten erleichtert auf,
als der Junge sich endlich trollte. Skip wischte sich den Schweiß vom Gesicht und besah sich den hoch aufgetürmten Haufen
auf der Ladefläche des Karrens. Es würde schwer genug sein, diese Ladung in einem Stück nach Hause zu befördern. Hoffentlich
hielten die Knoten, die Erle geknüpft hatte.
»Ich hole Ellah«, sagte Erle nach einer langen Pause.
»Ja, gut.« Skip wandte sich wieder ihrer Ladung zu und machte sich daran, die herausragenden Kistenkanten ein bisschen zu
ordnen, als ein Schatten im offenen Tor der Scheune erschien. Skip drehte sich herum und erwartete, Erle zu sehen. Und erstarrte
mitten in der Bewegung.
Das olivianische Mädchen, das er gestern abend so angeschmachtet hatte, stand direkt vor ihm.
Skip schoss das Blut ins Gesicht. Er regte sich nicht; auch jetzt war es ihm unmöglich, den Blick von ihr abzuwenden, und
noch weniger, etwas Intelligentes zu sagen.
Aus nächster Nähe sah sie noch schöner aus. Ihre schokoladenbraune Haut verströmte einen milden, süßen Duft, der ihn an eine
Wiese im Wald denken ließ, die in Blüte stand. Wie gestern hatte sie den Mantel über die rechte Schulter zurückgeschlagen,
sodass die schwarze Kleidung zu sehen war. An ihrem Gürtel fiel ihm ein Bündel Wurfmesser auf, und über den Rücken geschnallt
trug sie kein Schwert, wie er gestern angenommen hatte, sondern eine fremdartige Waffe, |53| die am ehesten noch Ähnlichkeit aufwies mit einem langen, schmalen, schwarzen, polierten Holzstock.
Skip atmete noch immer nicht, während sie ihn kaum minder eindringlich taxierte. Skip entschied, dass sie eher keinen Gefallen
finden mochte am Anblick eines Mannes, der bei ihrem bloßen Erscheinen schon rot wurde. Er dachte:
Wahrscheinlich ist es ihr völlig egal.
Dass er nun zumindest wieder zu atmen versuchte, war auch kein wirklicher Fortschritt. Er dachte entsetzt:
Puterrot, und dann noch dieses Gekeuche! Nicht gut. Gar nicht gut!
Vielleicht war sie solcherlei Anwandlungen gewohnt, denn sie überging sie einfach: »Das sieht nach einer Menge Eisenschrott
aus«, sagte sie und bedachte die gesamte Wagenladung mit einem knappen Blick.
Einen Lidschlag lang wünschte er sich nichts sehnlicher, als in seinen Bruder verwandelt zu sein. Erle sah nicht nur gut aus;
ihm verschlug es auch niemals die Stimme angesichts hübscher Mädchen. Aber das hier war natürlich kein
normal-hübsches
Mädchen. Skip schluckte und riss sich zusammen. Wenn ihm auch nur ein winzig-kleines bisschen Selbstachtung bleiben sollte,
dann
musste
er etwas sagen –
irgend etwas
, und genau jetzt. »Na jaaaa ...«, brachte er schließlich heraus. Seine Zunge fühlte sich wie ausgedörrt an.
Etwas mit struppigem Fell drückte sich an seiner linken Wade vorbei. Vassilly stolzierte, wild zerzaust von einem erst kürzlich
stattgefundenen Kampf, zu dem Mädchen hin und rieb sich an ihren Beinen. Sie sah zu ihm hinab und lachte. Dann fasste sie
abermals Skip ins Auge; Schweiß brach ihm aus allen Poren. »Wie kommt ein Junge aus den Waldlanden zu solch blauen Augen?«,
fragte sie.
Skip war verblüfft. Dies hatte er nicht erwartet. »Was hat meine Augenfarbe mit irgendeinem Land zu tun?«
Sie zuckte die Schultern, ihre Augen wandten sich
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