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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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Skip lebend und wohlauf
     anzutreffen. »Ist alles in Ordnung?«, fragte er. »Heute Nacht ist jemand in die Scheune eingebrochen!« Meister Boris drückte
     sich an Skip vorbei und nahm den Raum in Augenschein.
    »Und? Ist etwas gestohlen worden?«, fragte Skip und kämpfte gegen den letzten Nebeldunst des Schlafes an. »Sind alle wohlauf?«
    »Ja, sieht so aus, als sei niemandem ein Leid zugefügt worden.« Meister Boris drehte sich abermals wachsam um. »Und es fehlt
     wohl auch nichts. Aber euer Einkauf is’ gründlich durchwühlt worden.«
    »Unser Einkauf?«
    Der Wirt zog die Brauen hoch. »Rede ich denn
so
undeutlich, Junge? Weck deinen Bruder. Frühstück is’ fertig.«
    In der Küche brodelte alles in gewohnter Emsigkeit. Meisterin Marfa beaufsichtigte wenigstens ein Dutzend dampfender Töpfe.
     Vassily, ein grauer Koloss von einem Kater und Schrecken sämtlicher vierbeiniger Bewohner der Sumpfstadt, hockte in wahrhaft
     königlichem Gehabe selbstbewusst vor dem offenen Kamin.
    Sie folgten Meister Boris in eines der Hinterzimmer, wo Ellah und Oksana bereits vor ihrem Haferbrei saßen. Auch Teller mit
     warmem Brot und Weichkäse standen bereit.
    Skip war so hungrig, dass ihm nicht einmal Ellahs üblicher Empfang etwas ausmachte, der dieses Mal in etwa so klang: »Ich
     dachte, ihr beiden wolltet vor Sonnenuntergang zuhause sein und nicht erst aufstehen!«
    Während der Mahlzeit vermied es Meister Boris, den Einbruch |50| zu erwähnen. Nachdem sie jedoch allesamt gegessen hatten, stapfte er mit Skip und Erle zur Scheune. Ein verheerender Anblick
     bot sich ihnen. Die mit Alteisen für die Schmiede des Vaters gefüllten Kisten waren aufgebrochen, ihr Inhalt lag auf dem strohbedeckten
     Boden verstreut. Es musste einige Körperkraft und Entschlossenheit gekostet haben, den schweren Stapel abzutragen, das ordentlich
     vernagelte Holz aufzubrechen und den Inhalt mit solcher Gründlichkeit durchzuwühlen. Nicht eine einzige Kiste gab es, deren
     Inhalt unangetastet geblieben war. Das Riedgrastuch war zerschlitzt und mit schlammigen Stiefelabdrücken beschmutzt worden.
     Der Sack mit der Schafwolle aus dem Hochland der Steinernen Grate klaffte weit offen – graubraune Flocken schwebten wie Asche
     herum. Und selbst die kleine Schachtel mit Gewürzen aus Tahr-Abad lag zertrümmert, und ihr Inhalt hatte sich mit Stroh und
     Erdreich vermischt.
    Nichts anderes war in der Scheune angerührt worden. Hazz, ein hoch aufgeschossener, spindeldürrer Junge, der für die Bewachung
     der Scheune verantwortlich war, stierte verwirrt vor sich hin. »Ghaz Kadan allein weiß, was hier geschehen ist«, brabbelte
     er.
»Diese Schweine!«
    »Pass auf, was du sagst, Bursche«, warnte der Wirt.
    »Entschuldigt«, nuschelte Hazz.
    »Hat gestern Nacht irgendjemand hier herumgeschnüffelt? Egal wer, irgendjemand?«
    »Na ja, Herr, ein paar Leute wollten persönlich nach ihren Reittieren sehen, Ihr wisst schon.«
    »Und? Ist dir jemand besonders aufgefallen?«
    »Freilich, doch   ...« Hazz’ Gesicht zerknitterte unter einem verträumten Grinsen. »Da war dieses Mädchen. Eine Olivianerin, wenn Ihr wisst,
     was ich meine. Kam mit einer grauen Bengaw-Stute hier an und wollt’ sie unbedingt persönlich in den Stall führen. Ja, so war
     das.« Er bemerkte, wie alle ihn anstarrten und drehte sich verlegen von ihnen weg.
    |51| Skip und Erle sahen einander an. Konnte das olivianische Mädchen eine solche Verwüstung angerichtet haben?
    Meister Boris räusperte sich geduldig. »Hat sie dich ausgefragt?«
    »Na ja, schon.« Der Junge verstummte, überlegte, sammelte sich. »Eine Frage hatte sie. Ja.«
    »Was wollte sie wissen?«, drängte Meister Boris.
    Hazz’ Gesicht hellte sich auf. »Also, sie war richtig höflich, Herr, wenn Ihr wisst, was ich meine. Richtig höflich. Und alles,
     was sie mich fragte, war: ›Bürschlein, wenn du deine Hände nicht verlieren willst – warum behältst du sie dann nicht bei dir?‹
     Das war alles. Nur die eine Frage. Wirklich höflich, ganz damenhaft.«
    Skip unterdrückte ein Kichern. Er konnte sich den grandiosen Annährungsversuch von Hazz, dem Herrn der Scheune und edlen Verführer,
     nur allzu gut vorstellen.
    Meister Boris seufzte. »Also gut, Hazz«, sagte er. »Hilf den Jungen aufzuladen, was sie noch gebrauchen können. Diese Kisten
     kann man mit Stricken zusammenschnüren. Und wenn du das nächste Mal aufpassen sollst, dann sieh zu, dass du hier bist. Hier.
     Nicht im Wirtshaus drüben.

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