Das erste Schwert
auseinandersetzen müssen.«
»Was wohl heißt, der
Bastard
, den Ihr auserkoren habt, weist eine größere Ähnlichkeit auf mit den Abkömmlingen des Hauses Dorn?«
Die Augen des Bewahrers flammten. »Er ist
kein
Bastard, Herzog!«, sagte er. »Ich wäre dankbar, wenn Eure Erhabenheit auf solche Anschuldigungen verzichten könnten.«
»Ich glaube, ich werde auch ohne Eure Dankbarkeit irgendwie überleben.«
»Wie Ihr wollt, Eure Erhabenheit. Dennoch, Ihr solltet wissen, dass es wirklich –«
»... mein Sohn ist. Versuchtet Ihr das zu sagen, Magister?« Der Herzog legte eine Pause ein, um das ärgerliche Zucken seiner Mundwinkel
unter Kontrolle zu halten. »Habt Ihr keinen Anstand?«
Die Augen des Bewahrers wurden schmal. »Wir werden das Nötige tun, Herzog«, sagte er warnend. »Mit Eurem Beistand oder ohne.«
Evan hatte genug gehört. Es war Zeit, diesem Auftritt ein Ende zu setzen. Er riss die Waffe heraus, trat den Tisch beiseite |47| , der ihn von seinem Besucher trennte, und warf sich dem Mann entgegen. Seine Rechte flog hoch, um dem Magister den Dolch
in die Schulter zu rammen. Er ahnte die Ausweichbewegung voraus – kein normaler Mensch wartete den Biss einer Klinge nur tatenlos
ab; so wechselte Evan Dorn noch im Sprung blitzartig den Stahl in die linke Hand und stach von unten herauf zu. Finten wie
diese hatten ihm seine tödliche Reputation eingebracht.
Evan führte die Klinge nicht, um zu töten. Ihm stand der Sinn allein danach, diesem bärenhaften Kerl eine dringend nötige
Lektion zu erteilen. Nur – handelte der Magister Egey Bashi überhaupt nicht wie erwartet. Schnell wie ein Lichtstrahl geisterte
er davon. Seine Linke befreite etwas aus den Tiefen der Robe. Etwas Langes, Ledriges, Schlangenartiges zuckte aus seiner Hand,
peitschte im Halbkreis durch die Luft und löschte sämtliche Kerzen.
Im ersterbenden Licht der kleinen Laterne sah Evan gerade noch einen bleichen Schemen zur Tür hinausschlüpfen und im frostigen
Labyrinth der steinernen Korridore verschwinden.
Die Olivianerin
Wasser schäumte überall. Zerrte und riss an ihm, war überwältigend, erbarmungslos.
Er zappelte an die Oberfläche zurück, kämpfte darum, atmen zu können, und schluckte Wasser und Luft gleichermaßen. Dann drückte
eine Hand ihn wieder hinab.
Ich werde sterben,
begriff er.
Ich kann nicht mehr. Kann nicht mehr kämpfen.
Er wurde schwächer, der Sog riss und zerrte an seinem Körper,
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allgegenwärtig und stark. Das Strömen des Wassers versuchte ihm etwas zu sagen. Er war zu schwach, er verstand es nicht.
Ein Gesicht tauchte über ihm auf. Ein blasses, haarloses Gesicht, umhüllt von einer Kapuze und von der linken Augenbraue bis
hin zum rechten Ohr zerteilt von einer gewaltigen, hässlichen Narbe. Es senkte sich auf ihn herab, die Lippen bewegten sich.
Er mühte sich ab, die Worte wenigstens zu hören. Aber seine Sicht verschwamm bereits. Er spürte, es war entscheidend wichtig,
dass er die Worte hörte. Sein Leben hing davon ab. Aber es war zu spät. Schwere breitete sich in ihm aus und Finsternis verschlang
alles.
»Skip! Erle! Jungs! Aufwachen!«
Die ferne Stimme verwirrte ihn.
Ich bin tot
, dachte Skip.
Ertrunken. Warum rufen sie?
Dann spürte er einen Körper neben sich, der sich bewegte. Skip wich kreischend zurück.
Und wachte endlich auf.
Er lag in einem großen Bett neben Erle. Sein Bruder schlief selig, trotz des Lärms, der von der fest verriegelten Tür kam.
Ein zierlicher Sonnenstrahl tastete sich durch ein Loch im Fensterladen herein.
»Skip! Erle! Wacht endlich auf!«, brüllte Meister Boris’ Stimme auf der anderen Seite der Tür.
»Erle!« Skip zog seinem Bruder die Decke weg. Erle murmelte im Schlaf und kuschelte sich gleich wieder gemütlich darin ein.
Skip setzte sich auf und zog abermals an der Decke. »Wach auf, Erle«, sagte er. »Da draußen ist jemand, der dich sehen will.«
»Mhmmmmm«, nuschelte Erle und zog sich die Decke über den Kopf. Skip gab sein Bestes, um sie ihm zu entreißen, aber wenn es
um Essen und Schlafen ging, war es sinnlos, mit seinem Bruder zu streiten – genauso gut konnte man gegen einen Stein wüten.
|49| »Skip! Erle! Seid ihr taub?«, brüllte Meister Boris.
Mit einem Seufzen tappte Skip zur Tür. »Guten Morgen, Meister Boris«, sagte er, zog die Tür auf und sah sich dem Wirt gegenüber.
Die breiten Schultern des Mannes sackten erleichtert nach unten – als habe er schon nicht mehr erwartet,
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