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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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Häuser weiter. Ich hab diesen Burschen beigebracht, ihre ersten Bogen zu spannen!
Deshalb
lebe ich! Denn als ihnen befohlen wurde, mich mit ihren Knüppeln totzuschlagen – da konnten sie’s nicht. Wär’ mir nicht anders
     ergangen an ihrer Stelle.« Seine Stirn furchte sich noch tiefer als zuvor, als er sich nun zwang, sich den alptraumhaften
     Bildern der Blutnacht zu stellen. »Sei’s drum«, beschloss er das Thema. »Ich bin davongekommen, und Shanna und die Kinder
     auch. Sie sind in Sicherheit. Papa Wold ist bei ihnen, und er hat geschworen, keinen Tropfen mehr anzurühren!«
    Wie einer Eingebung folgend, wandte er sich jählings um und starrte Evan an, der mit vor der Brust verschränkten Armen in
     den Schatten neben der Tür stand.
    »Wer ist
der da
?«, flüsterte Tildon, plötzlich wieder sehr, sehr ernst.
    Evan strich sich abermals die Haare aus dem Gesicht, dieses Mal mit beiden Händen zugleich, und tat einen Schritt nach vorn,
     ins Helle, direkt vor den Ofen.
    Betäubte Stille breitete sich um ihn her aus; dann wichen die ersten Männer zurück.
    »Eure Erhabenheit!«, flüsterte Tildon Tarn.
    Sie machten Anstalten, sich vor ihm zu verbeugen, und er verhinderte es mit einer Handbewegung. »Es ist gut«, sagte er. »Ich
     stehe als Verfemter vor Verfemten, und wie es scheinen will, ist Seine Heiligkeit unser gemeinsames Problem. Mich suchten
     seine Meuchelmörder heute Abend in meinem Schlafgemach heim. Og stand mir bei der Flucht zur Seite.«
    Er gab ihnen Zeit, das Gesagte zu verarbeiten. Es herrschte |523| eine Stille wie nach einem ungeheuerlichen, welterschütternden Trommelschlag.
    Tildon
, dachte er.
Tildon ist der stillschweigend von allen akzeptierte Anführer.
    Und dieser Tildon trat nun vor und ergriff das Wort: »Wir alle, die wir uns hier eingefunden haben, sind den königlichen Häusern
     loyal ergeben«, stellte er klar. »Wir sind bereit, unser Leben zu geben für Euren Schutz, Sturmgebieter! Wir erwarten Eure
     Befehle.«
    Evan blickte sie der Reihe nach an. Nun hatten sie doch, einer wie der andere, den Kopf gesenkt. Es beschämte ihn! Diese Männer
     waren obdachlos, heimatlos, gejagt und voller Verzweiflung. Und doch besaßen sie den Löwenmut, in dieser Schreckenszeit ihr
     Leben in seine Hände zu legen – ausgerechnet ihm, der er doch der Grund ihres Unglücks war. Er konnte dies nicht zulassen.
     »Nein«, sagte er rau. »Für mich zu sterben, das löst kein einziges Problem. Am Leben zu bleiben, Männer,
dem
wird entscheidende Bedeutung zukommen! Deshalb befehle ich euch allesamt: Bleibt am Leben! So lang’ es euch nur irgend möglich
     ist! Die Verhältnisse in Tandar werden sich ändern. Dafür will ich sorgen!«
    Jetzt hoben sich ihre Köpfe, und er vermochte ihnen in die Gesichter zu sehen. Neue Hoffnung leuchtete in ihren Augen; hier
     und da vertrieb ein Lächeln die Sorgenfalten. Evan nickte grimmig und stolz gleichermaßen. Dies hier waren
seine
Leute. Ein Leben lang hatten sie den Königshäusern gedient. Ihrer Treue wegen hatten sie alles verloren. Nun war es an der
     Zeit, dass das Oberhaupt des
ersten
königlichen Hauses etwas für sie tat.
    Ihm, dem Sturmgebieter, dem Herzog Evan Dorn, oblag es, die Dinge zurechtzurücken.
    »Ich werde die Stadt noch in dieser Stunde verlassen«, offenbarte er ihnen. »Denn sollte ich dies nicht tun, werden sie auf
     der Suche nach mir gewiss hierher kommen, das Innerste |524| dieses Hauses nach außen kehren und euch entdecken. Ich aber befehle euch Männern – verhaltet euch still, überlebt im Verborgenen.
     Aber lebt, wenn ich zurückkehre! Auch du, Og!«, sagte er, da er aus den Augenwinkeln sah, wie sich sein Hauptmann ihm zugesellte.
    »Aber   –«, setzte der zu einem Widerspruch an, doch Evan mühte sich nach besten Kräften, wahrhaft
königlich-befehlend
zu blicken, und so brachte er ihn tatsächlich zum Verstummen. Der große Mann senkte den Kopf.
    »Es wird wieder eine Zeit geben, Freund Og, da du mich zur Weißglut treibst mit deinem unbeschreiblichen Talent für Konversation.«
    Damit drehte Evan sich bereits um und ließ den Raum und die Stille, die seinen Worten nachfolgte, hinter sich. Er sah nicht
     zurück. Er wollte den Männern keine Gelegenheit zur Diskussion geben, wollte nicht, dass sie seine Entscheidung hinterfragten
     oder seine Befehle gar ignorierten. Kurz bedauerte er, nicht einmal einen trockenen Mantel ergattert zu haben. Doch falls
     Bruder Pavlos’ Männer ihn gefangen nahmen, musste

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