Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
Vom Netzwerk:
Schritte. Og Tarns Bruder
     würde die Chance gewiss mit Freuden ergreifen |515| , seine dem Massaker entkommene Truppe um sich zu scharen und dem Sturmgebieter Dorn zu Hilfe zu eilen. Pavlos wusste, dass
     einige Männer der Krone die Blutnacht überlebt hatten und nach wie vor in der Stadt umherstreiften – genau wie vom Allheiligen
     Vater geplant, um das Ganze wie einen spontanen Aufstand aussehen zu lassen. Mit der richtigen Anzahl Heiliger Wachen mochte
     man also leichtes Spiel haben.
    »Seid ihr noch im Besitz jener Substanz, die ich euch gab?«, fragte er die Söldner.
    Jener namens Sadeel kramte in den Tiefen seines Mantels und beförderte ein kleines, fest verschlossenes Fläschchen zutage.
     Bruder Pavlos nahm es an sich und steckte es seinerseits ein – sorgfältig darauf bedacht, nicht zu atmen, bis es sicher verstaut
     war.
    Diese Substanz war die neueste Schöpfung der klösterlichen Wissenskünstler. Ein Atemzug davon genügte, einen Mann auf Stunden
     auszuschalten und gar, falls nötig, tagelang ruhigzustellen – und zwar ohne dass er auf lange Sicht einen körperlichen Schaden
     davontrug. Diese überaus wirksame Flüssigkeit war einer der Gründe gewesen, weshalb Pavlos sich dazu entschlossen hatte, diese
     beiden Außenseiter zu seinem Werkzeug zu machen; es war ihm wichtig gewesen, sicherzustellen, dass keiner seiner eigenen Männer
     in diese Sache verwickelt wurde und in einem kritischen Moment möglicherweise Skrupel zeigte.
    Er wandte sich der Heiligen Wache zu, die reglos an der Korridorwand stand. »Schafft mir diese Männer aus den Augen!«, befahl
     er. »Um sie werde ich mich später kümmern. Ruft so viele Männer zusammen wie irgend möglich. Höchstens fünf sollen in der
     Burg verbleiben. Alle anderen ziehen mit mir in die Stadt. Es gilt, eine Revolte im Keim zu ersticken.«
     
    |516| Sturm tobte, und es regnete stärker. Evan meinte, kübelweise Eiswasser ins Gesicht geschleudert zu bekommen, als er, tief
     im Stuhlsitz seiner Reitechse vornübergekauert, durch die stille, triefende Stadt jagte. Er verfluchte sich dafür, dass er,
     nachdem er den beiden Meuchelmördern entkommen war, nicht daran gedacht hatte, sich in den Stallungen mit einem wärmeren Mantel
     einzudecken. Andererseits – kein ihm bekanntes Tuch hätte diesem wütenden Guss standzuhalten vermocht.
    Og Tarn führte nun. Einmal mehr rammte Evan seinem Tier die Fersen in die Flanken und drängte es, zum Befehlshaber seiner
     Wachen aufzuschließen. Als Og den Kopf wandte, deutete Evan zu einem großen Gebäude hin, dessen Balkon als schützender Unterstand
     wie geschaffen war; es galt anzuhalten und ihr weiteres Vorgehen zu besprechen. Kaum dass sie dem Regen entkommen waren, schüttelte
     sich Og so hingebungsvoll wie jene langhaarigen Wachhunde, die Evan sich auf Hochdorn zu halten pflegte. Noch einmal hatte
     der Sturmgebieter einen Regenschauer zu ertragen – doch lachte er nur darüber und zerrte bereits die gleichfalls triefende
     Kapuze vom Kopf. Dann lenkte er seine Echse dicht genug an Ogs Tier heran, sodass er gegen das Toben der stürmischen Regennacht
     gehört werden konnte.
    »Wir müssen schnellstmöglich das Stadttor erreichen!«, sagte er zu Og. »Es ist unmöglich, bei diesem Wetter über die Mauern
     zu kommen. Lenkt mir die Wachen lange genug ab, dass ich hinausgelange.«
    Og schüttelte den Kopf. »Mein Bruder Tildon wohnt nicht weit von hier, Eure Erhabenheit, in einem Eckhaus in der Herrscher-Straße«,
     widersprach er. »Seine Frau Shanna und er werden uns Unterschlupf gewähren für diese Nacht.«
    Dorn zögerte. Bruder Pavlos, sein Hauspriester seit fast zwei Jahrzehnten, wusste nur zu gut, dass Og Tarn einst Hauptmann
     seiner Wachen war; sobald der Feind also |517| wusste, wer ihm bei der Flucht zur Seite stand, konnte dessen Bruders Heim nicht mehr sicher sein. Jedoch mochte es bei diesem
     Wetter seine Zeit dauern, bis Bruder Pavlos die Hetzjagd organisiert hatte. So mochten sich also zwei Fliegen mit einer Klappe
     schlagen lassen: Einerseits war es gewiss umsichtig, Ogs Bruder vor der drohenden Gefahr zu warnen, und zu ihrem eigenen Vorteil
     gereichte es, dass sie sich bei dieser Gelegenheit mit einigen Vorräten und Annehmlichkeiten für den wilden Ritt nach Hochdorn
     ausstatten konnten. Ein trockener Mantel, beispielsweise, fand sich ganz oben auf Evans Liste all dessen, was dringend benötigt
     wurde. »Also los!«, willigte er ein.
    Als sie sich dem Haus am Ende der

Weitere Kostenlose Bücher