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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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sind«, sagte sie. »Aber es ist lange her, dass ich dort |532| einkehrte. Ich tu’ mein Bestes, rasch dorthin zu finden, aber die Straßen und Gassen dieser Stadt sind ein Irrgarten. Deshalb
     – bleibt dicht bei mir.«
    Als sie an Ellah vorbei in die schmale Straße hineinging und den Weg Richtung Shal Addim-Tempel einschlug, spürte Skip einen
     saueren Geschmack im Mund; dort oben schlug das Herz der Heiligen Kirche; dort oben, im Kloster, war die Heimstatt jener,
     die sie suchten. Diese Stadt war ihm schon jetzt unheimlich. Nach brennenden Abfällen roch es hier – verständlicherweise,
     denn schwelende Müllhaufen säumten selbst diese Gasse auf beiden Seiten – und nach Weihrauch, nach frisch zubereiteten Speisen
     und faulenden Nahrungsmitteln in tiefen, mordrigen Kellergewölben. Auch süßlichen Verwesungsgeruch glaubte Skip immer wieder
     einzuatmen. Wie der Duft eines hochbetagten, sehr wertvollen Weines stieg ihm diese allgegenwärtige Mixtur allmählich zu Kopf.
     Benommen taumelte er den Gefährten auf der bergan führenden, sich hierhin und dorthin schlängelnden Gasse hinterher und versuchte
     einmal mehr, Shadows Hinterteil nicht aus den Augen zu verlieren – das ihnen allen längst zum unverkennbaren Orientierungspunkt
     auf ihren stets eiligen
Stadtbesichtigungen
geworden war.
    Schließlich hielt Kara vor einem unauffälligen Haus. Der Qualm der zahlreichen Müllfeuer am Straßenrand hatte das Schild über
     dem Eingang im Lauf der Zeit pechschwarz gefärbt, sodass kaum zu entziffern war, was darauf stand.
    »Zur Wilden Emrock«, buchstabierte Ellah laut vor sich hin.
    »Das ist kein
E
sondern ein
A
– Amrock«, verbesserte Kara sie. »Aber man spricht es anders betont aus.
Aemrock
.« Kehlig und fremd klang ihre Stimme, als sie dieses Wort aussprach, und Skip fiel ein, dass er Kara noch nie nach ihrer
     Muttersprache gefragt hatte.
    »Was ist das, ein
Ayeemrock
?«, fragte Ellah und machte |533| sich lustig über Karas merkwürdige Betonung. Was Kara jedoch gar nicht zu bemerken schien.
    »Eine Wildblume«, antwortete sie. »Eine Wildblume, die hoch droben, in den   –«
    »–   Steinernen Graten wächst, klar!«, brachte Ellah den Satz für sie zu Ende. »Sag’ jetzt nicht, dass wir’s hier schon wieder
     mit einem deiner Landsleute aus den Nordgebirgen zu tun haben. Die können doch nicht alle ausgewandert und Wirt geworden sein!«
     Sie kicherte. Allerdings nicht lange.
    Zu ernst und seltsam blickte Kara sie an. Dann stieß sie, immer noch schweigend, das Tor auf und führte Shadow in einen kleinen
     Innenhof. Ihren Gefährten blieb keine andere Wahl, als ihr zu folgen.
    Es roch intensiv nach Stallungen. Der Gestank von Pferdemist und der Moschusgeruch von Reitechsen ergab endgültig eine Mixtur,
     die Skip das Wasser in die Augen trieb. Tränenblind tappte er über seltsam weichen, morastigen Grund voran, Shadow hinterdrein,
     die wie er unwillig gegen den Duft der Heiligen Stadt anschnaubte und mit ihrem Schweif allzu aufdringliche Fliegenschwärme
     fortpeitschte.
    Es erwies sich, dass der Gasthof über kein Stallgebäude verfügte. Die Tiere standen allesamt an einer Stange angeleint, die
     sich, vor wackeligen Bretterverschlägen, nahezu über die gesamte Länge des Hofes erstreckte. Über diese mehr als notdürftigen
     Boxen war ein großes Segeltuch gespannt, sodass zumindest gegen Wind und Wetter hinreichend Schutz gewährleistet schien.
    Schon von Weitem besah Skip sich die wenigen Reitechsen, die in der Spätvormittagswärme dösten, ganz genau. Es gab keinerlei
     Anlass, damit zu rechnen, unter ihnen jenes besonders große, graue Tier mit der halbmondförmigen Narbe am rechten Auge stehen
     zu sehen – dennoch war er erleichtert, als er feststellte, dass es
tatsächlich
nicht da war.
    »Was habt ihr hier zu suchen?«
    |534| Tief und energisch hallte die Stimme, wie mit einem Löffel Honig geglättet. Es kostete Skip einen Moment, bis er begriff,
     dass sie einer Frau gehörte.
    Groß und mit herrisch in die Hüften gestemmten Händen stand sie da – mit knochigen Armen und einem gewaltigen, an einen Pudding
     erinnernden Rumpf. Wie ein übergroßer Eierwärmer umspannte das wollene Kleid ihren Leib.
    »Meisterin Yba?«, fragte Kara höflich.
    »Wer will das wissen?«, grollte die urgewaltige Frau in einem Ton, der deutlich machte, dass es sie keinesfalls nach weiteren
     Gästen verlangte.
    Abermals pickte Kara eine Münze aus ihrer Geldbörse und händigte sie aus;

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