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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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Außer Wurzeln und Schlammtümpeln
     waren nun immer öfter verstreut liegende Steine zu sehen. Der Boden wurde trockener. Schließlich ragten große, moosüberzogene
     Felsblöcke aus dem dichten Farnkrautgewucher zwischen den Bäumen empor. Das verfilzte Gestrüpp verdrehter Klettenbäume wich
     spärlichem Tannenbewuchs.
    Mehr und mehr gelangte Skip zu der Überzeugung, dass die Gefahren des Pfuhls wirklich
sehr
übertrieben dargestellt wurden. Immerhin hatten sie diesen Ort binnen eines halben Tages durchquert und, mehr noch, sogar
     das Wagnis auf sich genommen, den sicheren Weg zu verlassen.
Nicht mehr lange, und wir erreichen den Außenposten,
dachte er und seine Stimmung hob sich noch mehr.
    Der Pfad knickte scharf ab und führte zu einer Lichtung hin, deren gegenüberliegender Saum von Felsblöcken durchwirkt war.
     Der Boden war trocken und zertrampelt, gerade so, als habe bis vor kurzem noch eine große Reisegruppe hier gelagert. Umherliegende
     Steine waren ordentlich zu wackeligen Kochherden übereinandergestapelt worden; Feuer und Rauch hatten sie geschwärzt, verkohltes
     Holz und Aschehaufen türmten sich darin.
    |145|
Das Lager eines Pfuhlgängers,
dachte Skip, und Garnalds Geschichten stiegen aus seiner Erinnerung empor. Und schon im nächsten Moment begriff er seinen
     Irrtum – und, dass keine Zeit mehr blieb, die Lichtung genauer ins Auge zu fassen.
    Ein gewaltiger Schemen trat aus dem Dunkel zwischen den Felsblöcken hervor und stellte sich ihnen in den Weg. Die Kreatur
     ging, in abgewetzte Tierhäute gehüllt, die mit allerlei Trophäen behangen waren, über deren Herkunft Skip lieber gar nicht
     nachdenken wollte, aufrecht auf zwei Beinen – jedoch auch in wildesten Alpträumen hätte man sie nicht als
Mensch
bezeichnet. Es gab nichts Menschliches an dieser krummbeinigen Riesengestalt mit den haarigen, muskulösen Armen, die bis zu
     den Knien hinabbaumelten. Das, was man in Ermangelung eines passenderen Wortes Gesicht nennen musste, war eine tierhafte Fratze
     mit fliehender Stirn, wucherndem Augenbrauengestrüpp, wulstigen Kieferknochen und hässlich klaffendem Maul. Zwei Teufelshörner,
     pyramidenförmige Höcker, ragten aus der struppigen Masse auf seinem Schädel. Am schlimmsten aber waren die Augen des Dämons.
     Weiße, blutunterlaufene Augäpfel mit winzigen schwarzen Flecken darin.
    Die Zeitlosigkeit des Pfuhls zerbarst, der Koloss tat einen Schritt auf sie zu, und jetzt erkannte Skip den Kapuzenmantel,
     den er über die Schultern zurückgeworfen hatte. Dunkler Stoff, der sich über ungeheuerlichen Muskeln spannte. Das war der
     Unheimliche, den er im Pfuhl neben den Priestern hatte herlaufen sehen.
    Sie haben ihn hier zurückgelassen, damit er uns tötet!
    Die Schultern der Kreatur waren dreimal breiter als die eines normalen Mannes; die Arme und Beine hatten den Umfang junger
     Baumstämme. Der Dämon tat den nächsten Schritt. Er hob eine mit Eisenstacheln versehene Keule, die so gewaltig war wie ein
     Pferdebein. Es sah ganz danach aus, als verstünde er sich bestens darauf, sie auch zu benutzen.

|146| Zwei Reiter
    Ein weiterer Tag dämmerte über der Kronstadt Tandar herauf. Die ersten Strahlen der Morgensonne fanden ihren Weg in enge Straßen
     und Gassen, in ein erstickendes Gemisch aus Nachtkälte, Feuchtigkeit und den tausendfachen Ausdünstungen einer großen Stadt.
     Hier und da regte sich schläfriges Leben. Ein abgemagerter Hund durchstöberte Abfallhaufen. Die ersten Bürger traten fröstelnd
     aus ihren Behausungen und fragten sich, welchen Verlauf das Hohe Konzil während der gestrigen Nacht wohl genommen haben mochte.
    Schon bald füllten Menschenströme die Straßen und der übliche Morgentumult setzte ein. Nicht lange, und eine Atmosphäre der
     Aggression würde vorherrschen, wie sie wohl unvermeidbar war an Orten, an denen viele Menschen auf engem Raum zusammenlebten.
     Hier und da sah man auch dunkle Haarschöpfe oder den honigbraunen eines Besuchers aus Bengaw, oder gar die Bronzepaletten
     an der Kleidung dunkelhäutiger Olivianer, aber niemand nahm Notiz von ihnen. Tandar war eine große Stadt; die Herkunft jener,
     die in ihren gewaltigen, übelriechenden Eingeweiden verdaut wurden, kümmerte sie wenig.
    Das einzig Ungewöhnliche an diesem Morgen war die große Zahl Heiliger Krieger, die in Gruppen an allen Ecken und Enden Aufstellung
     bezogen hatten. Wie Blutflecken setzten sich ihre karmesinroten Mäntel von der überwiegend in Braun- und Grautönen

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