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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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seine Stimme.
     »Ich glaube, die Frau, nach der wir suchen, ist eine aus dem gemeinen Volk, und der Mann ein Adliger!« Auch sein Gefährte
     zauderte. Er verlagerte sein Gewicht vom einen auf den anderen Fuß, hob den gesichtslosen Schädel und starrte die Mutter Bewahrerin
     an. »Schwört Ihr auf dieses heilige Symbol, dass Ihr nicht jene seid, nach denen wir Ausschau halten, edle Dame?« Seine Stimme
     wankte, als könne er selbst nicht fassen, was er da von sich gab.
    »Das tu’ ich, mein Kind«, antwortete Eyandala ihm mit wenig mehr als einem Flüstern und streckte die Hand in einer segnenden
     Geste aus. Und eine Art Windstoß, der allerhöchstens zu erahnen war, fuhr auf den Kopf des Mannes nieder und hinein in die
     verfestigte Luft rings um ihn her. Das Pferd der Reiterin tänzelte ungeduldig.
    »Und nun lasst uns unseres Weges ziehen«, sagte der Magister eindringlich und trieb sein Tier mit einem Schnalzen an, direkt
     auf den in Eisen gerüsteten Ritter zu.
    Mit einer Verbeugung trat der Gepanzerte beiseite.
    Die beiden Reiter passierten das Tor; übergangslos fielen die Pferde in leichten Trab.
    »Jetzt kannst du mich wieder
Mutter Bewahrerin
nennen, Magister«, sagte die Reiterin, als die erste Straßenbiegung hinter ihnen lag und sie das Gesicht in den warmen, frischen
     Wind hielt.
    |150| »Jetzt, da ich mich daran gewöhnt habe, gefällt mir Eyandala.«
    »Du vergisst dich, mein Sohn.« Sie gab vor, eine böse Miene zu ziehen. »Du wirst mich mit angemessenem Respekt behandeln.«
    »Ja, meine Dame.« Er neigte den Kopf, doch der Seitenblick, den er ihr zuwarf, war voller Schalkhaftigkeit. »Das Wort
Respekt
ist nicht annähernd stark genug. Ich empfinde größte Ehrfurcht davor, wie gut Ihr mit dem Hochgebieter Evan Dorn umgegangen
     seid. Ich wünschte, meine Überzeugungskraft wäre nur annähernd so groß.«
    Sie sah ihn nachdenklich an. »Seine Erhabenheit ist ein dickköpfiger Mann«, stimmte sie zu. »Für einen Moment fürchtete ich
     wirklich, ihn nicht überzeugen zu können. Nebenbei bemerkt – ich hatte noch gar keine Gelegenheit, Euch zu fragen, was schiefgegangen
     ist zwischen euch beiden.«
    Des Magisters Gesicht verdüsterte sich. »Der Mann war nicht recht bei Sinnen«, sagte er trocken. »Mit einem Dolch hat er mich
     attackiert – könnt Ihr Euch das vorstellen? Seine Erhabenheit, der wie ein Hofnarr zwischen Sesseln herumhüpft und auf unschuldige
     Luft einsticht?«
    »Ich hoffe doch, Ihr habt ihn nicht verletzt?«
    »Hab ich nicht, aber wenn er so weitermacht, wird das ein anderer nachholen. Sein königliches Benehmen ist von einer Art,
     die gewalttätige Gedanken geradezu herausfordert. Unglücklicherweise entwickeln sich die Ereignisse viel zu schnell. Ich hatte
     die Hoffnung, wir könnten das Kind rechtzeitig nach Tandar bringen.«
    »Ja«, erwiderte Eyandala, und noch immer weilte der abwesende Ausdruck auf ihrem Gesicht. »Wer hätte nach all diesen Jahren
     gedacht, dass der Austausch zum unpassendsten Zeitpunkt ans Licht kommen würde?«
    »Jemand aus Dornbards Haus muss geredet haben«, |151| presste Egey Bashi verärgert hervor. »Ich wünschte, wir wüssten, wer.«
    »Wir wünschen uns viel zu vieles, Magister.«
    »Wohl wahr, Mutter Bewahrerin.«
    Eine Weile ritten sie schweigend. Kerzengerade und stattlich hielt sich Eyandala im Sattel. Der Wind trug den Duft von Seenwasser
     und Weizen herbei, er spielte mit Eyandalas blonden Haarsträhnen und bauschte des Magisters Mantel. Wie zwei ganz gewöhnliche
     Reisende sahen sie aus, eine adlige Dame und ihr grimmiger Leibwächter – und doch deutete etwas an ihrer beider Verhalten
     darauf hin, dass da mehr war. Vielleicht die Art, wie Egey Bashi die schmale Gestalt seiner Begleiterin ansah. Vielleicht
     das, was mit ihr geschah, wenn ihre Blicke sich gelegentlich trafen – und sie plötzlich so unglaublich jung und unschuldig
     wirkte. Oder vielleicht die Art ihrer Körperhaltung, die, selbstsicher und entspannt gleichermaßen, eine tief verborgene Kraft
     verströmte.
    Nach geraumer Zeit sagte Eyandala sanft, eher so, als beantworte sie nur ihre eigenen Gedanken: »Vielleicht hätten wir das
     Kind sogleich zu uns nehmen sollen.«
    »Es war zu gefährlich, Mutter. Wir hätten seine Feinde direkt zu ihm geführt.«
    »Ich weiß. Aber die Mauern der Weißen Zitadelle hätten ihm eine gute Überlebenschance geboten.«
    »Und dann   ... die Erziehung der Bewahrer? So wäre er für alle Zeiten unfähig gewesen, zu

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