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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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gehaltenen
     Kleidung der gewöhnlichen Städter ab. Eisenstatuen gleich, ragten die Krieger im Wogen der Menge auf – und doch lebten sie
     und spähten aus kalten Augen den Vorbeigehenden ins Gesicht.
    Die meisten dieser Augen musterten die beiden Reiter, |147| welche sich gemächlich ihren Weg durch die Menschenmassen bahnten, mit wenig mehr als Desinteresse. Die abgetragenen Kleider
     des Mannes verrieten, dass er von niederem sozialem Stand war – obgleich er immerhin genug Geld hatte, um sich ein Pferd leisten
     zu können. Also war er möglicherweise ein Söldner und angeheuert, um die hinter ihm reitende adlige Frau mittleren Alters
     mit den dichten braunen, leicht ergrauenden Haaren zu ihrem Wohnsitz in den Seengebieten zurückzugeleiten.
    Die beiden Reiter bogen in eine breitere Straße ein und ritten nun Seite an Seite.
    »Nur ein Posten noch, und wir haben das Haupttor erreicht, Mutter Bewahrerin«, sagte der Mann gelassen, wobei er sich im Sattel
     zu der Frau hinüberlehnte, um sicherzustellen, dass kein anderer seine Worte vernahm.
    »Eyandala musst du mich nennen«, sagte die Frau und umfing den Bärenschädel des Mannes mit einem nachsichtigen Blick. »Gerade
     so, wie ich versprochen habe, während unserer Reise durch die Stadt Egey Bashi zu Euch zu sagen.«
    »Das ist schwer – Eyandala«, erwiderte der Mann und neigte den Kopf.
    »Schwer, jedoch notwendig, mein Kind.« Dieses Mal blickte sie schelmisch zu ihm hin, und für einen Moment leuchtete ihr Gesicht
     in einem Feuer, das sie wie ein junges Mädchen aussehen ließ. »Ganz Tandar sucht uns bereits. Wir wollen hoffen, dass unsere
     Tarnung lange genug hält.«
    »Vielleicht war’s ein Fehler, den Allehrwürdigen Haghos vor dem Hohen Konzil herauszufordern«, sagte Egey Bashi. Die Mutter
     Bewahrerin hatte den Kopf zur anderen Seite gedreht, und er folgte ihrem Blick; ganz kurz wurde sein ernstes, scharf geschnittenes
     Gesicht weich, beinahe sanft.
    »Seine Heiligkeit scheint zu glauben, dass ihn keine Macht dieser Welt aufzuhalten vermag«, erwiderte die Mutter Bewahrerin,
     und nun klang ihre Stimme wie berstendes Eis.
    |148| »Womit er durchaus recht haben könnte, Eyandala. Ihr tätet gut daran, dies nicht zu vergessen.«
    »Vielleicht, Magister«, räumte sie ein und schenkte ihm einen weiteren schelmischen Blick.
    Nach einem kurzen Ritt auf einem verhältnismäßig breiten und geraden Teil der Hauptstraße erreichten sie das Stadttor und
     zügelten ihre Tiere.
    Zwei Krieger in voller Panzerrüstung stellten sich ihnen entschlossen in den Weg; auf ihren Schilden prangte das Symbol des
     Heiligen Sterns. Lichtreflexe gleißten kurz auf spitz zulaufenden, stachelbewehrten Helmen. Die Visiere waren geschlossen.
    »Macht Platz für die Hochdame Eyandala aus dem edlen Haus Ellidorm!«, bellte Egey Bashi und dirigierte sein Pferd mit einem
     Schenkeldruck auf die Stahlkreaturen zu.
    Bei allen anderen Wachtposten hatte dies gut genug funktioniert; doch hatten sie es bislang lediglich mit Heiligen Kriegern
     zu tun gehabt. Auf die Ritter des Heiligen Sterns angewandt, schien diese Strategie zu versagen.
    Jener zur Linken sprach; nur ein hohles Tierknurren grollte durch das stählerne Visier. »Ein Mann und eine Frau«, sagte er,
     seinem Gefährten zugewandt und den Magister ignorierend. »Eine Adlige und ein Gemeiner, die in Verkleidung zu reisen scheinen.«
    Egey fasste den Ritter zu seiner Rechten ins Auge und bewahrte Ruhe. »Wenn Ihr jeden Mann und jede Frau anhaltet, die hier
     am Haupttor auftauchen, denn werdet Ihr Euch eine Menge Ärger einhandeln.«
    Die Mutter Bewahrerin lenkte ihr Pferd an seine Seite und fixierte den Ritter zur Linken mit ihrem stillen Blick. »Ich bin
     eine Hochdame von edlem Geblüt«, sagte sie mit gelassener und doch fester Stimme. »Mein Haus steht in Blutsverwandtschaft
     mit den Herzögen von Ellitand. Solltet Ihr mich noch länger aufhalten, verärgert Ihr das Herrscherhaus und |149| Seine Heiligkeit höchstpersönlich!« Eine lange Stille folgte diesen Worten, und sie war mit
Macht
gesättigt. Gleich einem Nebelschleier entstand sie aus dem Nichts, tilgte jedes noch so leise Geräusch aus der Welt und senkte
     sich schwer auf die beiden Stahlgestalten nieder.
    Der linke Ritter bewegte sich fahrig, als versuche er, eine Benommenheit abzuschütteln. »Sie sehen mir nicht wie jene aus,
     die aufzuhalten wir angewiesen sind«, sagte er gestelzt, und ein erster Anflug von Unsicherheit mischte sich in

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