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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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den Wald hinein zu reiten.«
    »Aber warum?« Ellah hatte dies geflüstert. Ihre Augen waren in blankem Entsetzen geweitet. Kein Zweifel – sie musste an die
     alten Geschichten denken, die am behaglichen Herdfeuer von der Großmutter erzählt worden waren; von Pfaden, die ein Eigenleben
     führten und sich wandelten, |169| ganz wie es ihnen beliebte, und von der schönen und tödlichen Waldfrau Leschenka, die im Dunklen Pfuhl den Reisenden auflauerte.
    »Vielleicht hatten sie nur dieselbe Idee wie wir«, sagte Erle unsicher. »Haben sich im Wald versteckt. Bloß wollen
sie
uns nicht einfach nur vorbeiziehen lassen. Nein, die Priester und ihre Ritter warten, bis wir ihnen in die Falle laufen.«
    Sie alle spähten in den Wald. Meilenweit schien man diesen dünn mit Kiefern bewachsenen Landstrich mit den Blicken durchdringen
     zu können. Aber nichts regte sich zwischen den kränklichen Stämmen, und die spärlich gesäten Riedgras-Inseln boten keinerlei
     Deckung.
    Wie sie so beieinander standen und atemlos starrten, gellte plötzlich ein vielstimmiger grässlicher Schrei; ein Kreischen
     so voller Todesangst und Verzweiflung, dass Skip die Haare zu Berge standen.
    »Was war das?«, hauchte Ellah erst nach einer längeren Pause.
    »Ich wünschte, ich wüsste es«, sagte Kara. Sie ging zu ihrem Pferd und nahm die Zügel auf. »Ehe wir weitergehen, muss ich
     nachdenken. Wir bleiben hier und essen etwas.«
    »Hier?«, fragte Ellah ungläubig.
    »Dieser Platz ist so gut wie jeder andere«, erwiderte Kara achselzuckend. »Warum also nicht?«
    Es fühlte sich gut an, nach den Mühen ihrer halbtägigen Wanderschaft hier zu sitzen und friedlich zu essen. In der ganzen
     Aufregung hatte Skip kaum richtig bemerkt, wie hungrig er war. Aber er wusste natürlich, dass sie umsichtig sein mussten mit
     ihren Vorräten. Man konnte nie wissen, wie lange es noch dauern mochte, bis sie die Sumpfstadt erreichten.
    Sie beendeten ihre Mahlzeit in Stille. Das Gefühl ringsumher drohender Gefahr ließ es angeraten erscheinen, so wenig Geräusche
     wie irgend möglich zu verursachen – zu lebhaft |170| gellte ihnen das fürchterliche Todeskreischen noch in den Ohren.
    Nach dem Essen sprang Kara in einer so geschmeidig-fließenden Bewegung auf, dass Skip einmal mehr große Augen machte. »Wir
     kehren um«, bestimmte sie. »Ich habe kein gutes Gefühl mit diesem Weg. Ich bin mir sicher, dass er gestern anders verlaufen
     ist. Genaugenommen weiß ich sogar ganz genau, dass es die Abbiegung dort hinten eigentlich gar nicht geben dürfte. Der richtige
     Pfad müsste genau in die Richtung führen, die unsere Freunde, die Priester, genommen haben, aber dort gibt es eindeutig nur
     noch den Pfuhl.« Sie wies mit der Hand auf die Stelle, wo Pferde- und Echsenspuren den Weg verließen und zwischen Riedgras
     und Tümpeln verschwanden.
    »Wie ist das möglich?«, stieß Erle hervor, spuckte in eine der Pfützen und hob das Gesicht, als könne er wolfsgleich eine
     Witterung aufnehmen.
    »Keine Ahnung. Aber das herauszufinden, dürfte weit unwichtiger sein, als zu jener Wegegabelung zurückzukehren und den andern
     Pfad zu nehmen.
    »Aber das ist ein langer Umweg!«, protestierte Ellah. »Wir müssten längst in der Sumpfstadt sein!«
    Kara blickte sie nur ruhig an, und Skip atmete erleichtert auf; die violetten Augen waren wieder ganz sicher. »Das ist die
     einzige Möglichkeit, die uns bleibt   ...«, sagte sie. »Es sei denn, du schlägst allen Ernstes vor, wir sollen wie die Priester den Pfuhl auf direktem Weg durchqueren.«
     Irgendwo scharrten trockene Kiefernäste gegeneinander – ein Geräusch, das sie aufmerken ließ. Dann aber sprach sie weiter,
     als sei nichts geschehen: »Ich für mein Teil würde lieber einem sicheren Pfad folgen.«
    »Es war deine Idee, hierher zu kommen!« Ellah stampfte mit dem Fuß auf, dass der Schlamm nur so spritzte. Doch sehr vorwurfsvoll
     klang ihre Stimme nicht.
    |171| Also gingen sie los und ließen den Boden vor sich nicht mehr aus den Augen. Schon bald breiteten sich die Spuren der Priester
     und ihres Gefolges wieder vor ihnen aus. Und verschwanden plötzlich
erneut
zwischen den Büschen am Wegesrand. Diesmal fiel es ihnen allen auf. Es war, als sei die Reiterei direkt aus dem Pfuhl gekommen,
     eine kurzes Stück Wegs auf dem sicheren Pfad geblieben und dann abermals in den Pfuhl abgebogen.
    Wären sie diesen Spuren nicht schon den halben Morgen hinterhergegangen, sie hätten es nicht geglaubt. Alles

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