Das erste Schwert
Ast eines Schlangenholzbaumes an. Auch vom Zaumzeug befreite sie das Pferd, bevor sie es mit einem
liebevollen Klapps auf die Kruppe zu einer grasigen Stelle davonstapfen ließ. Die Stute zupfte an diesem Halm und an jenem,
dann senkte sie das Maul ins Wasser des Teichs und begann zu saufen.
»Lass sie das nicht trinken!«, schrie Ellah.
Kara lächelte sie an. »Shadow ist ein sehr kluges Tier. Sie weiß genau, was gut ist für sie. Nie im Leben würde sie giftiges
Wasser trinken.«
»Shadow?« Skip sprach das Wort sehr langsam aus, und fragend. So hatte die graue Bengaw-Stute also einen Namen. Und einen
ziemlich passenden außerdem: Schatten.
»Ich hätte euch längst miteinander bekannt machen sollen«, sagte Kara mit einem kurz aufflackernden Lächeln. Aber schon im
nächsten Moment galt ihre ganze Aufmerksamkeit wieder dem, was nun zu tun war.
»Ich glaube, es ist zu feucht für ein Feuer«, stellte Erle bedauernd fest. Die Aussicht darauf, die Nacht in nassen Kleidern
verbringen zu müssen, behagte keinem von ihnen.
Kara blickte prüfend zu der Barriere der Schlangenholz-Bäume |177| hin; dann zu den Büschen am Wegesrand. »Wenn ihr Jungs trockenes Reisig sammelt, werd’ ich sehen, was ich tun kann. Aber entfernt
euch nicht zu weit, damit ihr nicht absauft.«
»Hast du das die ganze Zeit geplant?«, fragte Ellah; ihre Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen.
»Wie meinst du das?« Noch während Kara damit beschäftigt war, ihre Decke auszubreiten, hob sie den Kopf und sah Ellah mit
echter Verwirrung an.
»Du warst es, du hast vorgeschlagen, wir sollen durch den Pfuhl gehen!«, zischte Ellah hasserfüllt. »Und du wolltest auch
unbedingt den nach links abbiegenden Weg nehmen. Der uns geradewegs in die Arme dieses Gorg’tal geführt hat. Deinetwegen mussten
die Jungen kämpfen und wären beinahe getötet worden. Und du – du hast erstmal zugesehen! Dabei wär’s dir ein Leichtes gewesen,
dieses Ding zu besiegen. Und jetzt sitzen wir hier im Sumpf!«
»Weshalb sollte ich das gewollt haben?«, fragte Kara; ihre Stimme klang nicht anders als zuvor.
Ellah nahm Karas Gemütsruhe nicht einmal wahr. »Woher soll ich das wissen?«, fauchte sie. »Vielleicht willst du uns alle umbringen!
Vielleicht hattest du’s anfänglich nur auf einen von uns abgesehen, aber jetzt hast du dich entschlossen, uns alle zu töten.«
Noch immer wirkte Kara nicht verärgert, im Gegenteil – sie lächelte, und auf ihrem Gesicht lag derselbe Ausdruck milder Belustigung,
den Skip schon so oft darauf gesehen hatte. »Hör mir zu, Mädchen«, sagte sie ruhig und beugte sich ein wenig vor; der Blick
in ihren Augen ließ Ellah einen Schritt zurückweichen. »Wenn ich einen von euch oder euch alle hätte umbringen wollen, dann
wär’s ein Kinderspiel gewesen, das gleich bei eurer Schmiede zu erledigen oder in Eichenhain. Das hätte uns allen eine lange
Wanderung erspart. So, und jetzt geh’ ich davon aus, dass ich mir |178| deine Anschuldigungen zum letzten Mal anhören musste. Warum machst du zur Abwechslung nicht mal was Nützliches? Wir wollen
hier unser Lager aufschlagen.«
Als Skip und Erle zurückkehrten, jeder mit einem Armvoll trockener Zweige und kleiner Äste, war der Lagerplatz so ordentlich
und behaglich, wie man es kaum für möglich gehalten hätte. Kara hatte Gras und biegsame Äste geschitten, alles übereinandergehäuft
und die Mäntel darüber ausgebreitet – so waren rings um die Feuerstelle herum vier behelfsmäßige Schlafplätze entstanden.
Auch für das Feuer hatte sie bereits Vorkehrungen getroffen; genügend leidlich trockenes Gras und winzigste Äste waren zu
einem kleinen Scheiterhaufen arrangiert. Auf einem daneben liegenden Tuch breitete Ellah soeben das Abendessen aus. Skip fiel
auf, dass sie sich aus ihrem
und
Karas Rucksack bediente. Vielleicht war das ein Fingerzeig darauf, dass die Mädchen nun besser miteinander auskommen würden?
»Ich hab schon angefangen, mir Sorgen zu machen«, empfing Kara sie trocken und warf ihnen einen boshaften Seitenblick zu.
Doch schon im nächsten Moment war sie wieder ernst, und Skip glaubte, sich ihren Spott nur eingebildet zu haben.
Es wurde dunkel – so dunkel, dass kaum noch etwas zu erkennen war. Karas Hände und Bewegungen waren nur Schemen, ab und zu
hörte er Zweige in ihrem Griff knacken oder knallend einen trockenen Ast brechen, und dann, plötzlich, zuckte ein winziges
Flämmchen empor, und seine
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