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Das Erste, was ich sah

Das Erste, was ich sah

Titel: Das Erste, was ich sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Markus Gauß
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aus dem Hof in den vierten Stock herauf. Frau Eder schlug, den stämmigen Oberkörper nach rechts geneigt, mit einem Klopfer auf einen gemusterten Teppich ein, aus dem sich kein Stäubchen mehr verflüchtigte. Alle zwei, drei Wochen hängte sie ihre Teppiche über die grüne Teppichstange und drosch sie mit ausdauerndem Hass. Frau Eder war groß und kräftig und fand beständig keifend immer etwas an den Kindern des Hauses zu beanstanden. Fast nie sah ich sie anders als in einem dunklen einfärbigen Putzgewand mit bunter Schürze, und fast immer war sie mit Hausarbeiten beschäftigt. Sie klopfte Polster am Fenster im Parterre aus, putzte die Fenster, bürstete das Sakko ihres Mannes, trug den schwarzen Mistkübel zur Mülltonne an der Straße, den sie, sobald er geleert war, beim Kanaldeckel mit einer Kanne Wasser ausschwappte und sauber wusch, und drei Mal täglich ging sie einkaufen, obwohl sie nur für sich, ihren Mann und Erwin, das einzige Kind, zu kochen hatte, aber für drei Lebensmittel ging sie in drei verschiedene Geschäfte.
    Ihr Mann war Buchhalter, klein und dürr, nicht nur gemessen an seiner ihm körperlich weit überlegenen Frau, sondern auch innerhalb der Brigaden magerer Männer, aus denen seine Generation bestand. Er hatte eine leise, doch schneidende Stimme, und seine große, böse Frau schlich neben ihm verhuscht und wie zusammengestaucht, ihn um einen Kopf überragend, doch ihm geradezu unterworfen. Ging sie mit Mann und Sohn aus, hielt sie den Kopf gesenkt, als versuchte sie sich kleiner zu machen, und trug die Damentasche aus braunem Leder wie einen Ziegelstein mit Henkel. Erwin stapfte bei diesem Anlass immer fünf Schritte vor oder fünf Schritte hinter ihnen, er schämte sich, zu diesen Eltern zu gehören, und kaum war er 21 und großjährig geworden, zog er aus und verschwand für immer. Frau Eder war unbeliebt bei den anderen Frauen, von denen die meisten einen Schippel Kinder hatten, die unter ihrer unwandelbar schlechten Laune litten, unter dieser niemals sich aufbrauchenden Gehässigkeit, und dass Frau Eder unglücklich war und ihr Mann sie augenblicklich zum Kuschen bringen und ins Haus scheuchen konnte, vergönnte man ihr, wie man auch gerne das Gerücht weitergab, das Krispindel von Mann schlage sie, wenn sie sich im Haushalt einen Fehler erlaubte.
    Lag im Dezember genügend Schnee auf der Wiese, eröffnete Frau Eder den Weihnachtsputz, indem sie als Erste ihre Teppiche ausrollte und zu bürsten begann. Zu Mittag, wenn es ihr die anderen Hausfrauen gleichgetan hatten, war der Abdruck vieler Teppiche im Schnee zu erkennen, der schwarz geworden war, ein peinlicher Beweis dafür, dass die Wohnungen das Jahr über nicht sauber genug gehalten wurden. Eines Tages fiel Frau Eder um und war auf der Stelle tot, und ihr Mann, der sie tyrannisiert hatte, schien wie vom Schlag gerührt. Er, der kaum ein freundliches Wort für die Nachbarn erübrigt hatte, sprach diese nun auf der Straße an und sagte allen dasselbe, dass seine Frau eine Seele von einem Menschen gewesen und es ungerecht sei, dass sie trotzdem hatte sterben müssen, und dabei wackelte er mit dem Kopf, und in seine wasserblauen Augen schossen die Tränen.

EINE KLOPFSTANGE STAND IN JEDEM GARTEN , aber dass auf ihr die Teppiche ausgeklopft wurden, war es nicht, was sie interessant und wichtig machte. Sie diente uns als erstes Turngerät, hier lernte ich, vom Bruder hochgehoben, die Finger fest um die obere Querstange zu schließen und den baumelnden, von der Kraft der eigenen Arme gehaltenen Körper hin und her zu schaukeln; und hier wagte ich, nachdem ich es Älteren abgeschaut hatte, das Kunststück, die Kniekehlen um die untere Querstange zu pressen und mich kopfüber hängen zu lassen. Das Haus, die Bäume, die Gefährten, sie alle standen jetzt auf dem Kopf, und der Himmel war hoch und unten, das Blut strömte in den Schädel, ein angenehmer Schwindel ergriff mich, bis ich das Gefühl hatte, ich käme nie wieder von der Klopfstange herunter; ich spürte nicht mehr, wo oben und unten war, und in diesem Augenblick lösen die Kniekehlen den Druck und ich falle, aber instinktiv mache ich die halbe Rolle, die nötig ist, um auf den Füßen zu landen; als ich mich aufrichte, blicke ich in den blauen Himmel, der jetzt wieder oben ist und zu pulsieren scheint, ich höre es in meinem Schädel rauschen und die Vögel am Himmel kreischen, das Glück wogt so heftig in mir, dass ich wanke und mich an der Stange anhalten muss.
    Die

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