Das Erwachen
Nacht gut auf.«
Der Anrufer schnaubte. »Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich bereit war, alles hinzuwerfen und wegzurennen. Megan dachte, ich würde es ihr zum Vorwurf machen, wenn unsere Karriere darunter leiden würde. Und jetzt … jetzt weiß ich nicht einmal genau, ob ich sie von hier wegbekäme.«
Maggie starrte Sean an. »Sag ihm, dass es keine Rolle spielt. Er wäre so oder so dort gelandet.«
Lucian wiederholte Maggies Worte. »Wenn etwas wirklich Seltsames im Gange ist, würde es wahrscheinlich keine Rolle spielen, wo Sie sich gerade aufhalten oder ob Sie versuchen zu gehen. Wahrscheinlich würden sich Umstände ergeben, die Sie zur Rückkehr zwingen würden. Aber keine Sorge – morgen sind wir da. Wir steigen in dem alten Hotel gleich am Stadtpark ab. Wenn Sie uns nicht am frühen Nachmittag finden, finden wir Sie. Jade hat ihr Handy dabei. Und Ihre Nummer ist ja jetzt in der Anruferliste gespeichert.«
»Richtig.«
»Dann bis bald.«
Sie legten auf. Maggie setzte sich an ihren Platz und wiegte ihr inzwischen wieder schlafendes Baby. »Puh. Dieser Typ ruft an, und ich spüre sofort die unheimlichsten Schwingungen.« Sie hielt inne und blickte rasch auf Jade. »Übrigens – Aidan schläft tief und fest.« Sie wandte sich wieder an Lucian. »Ich weiß nicht, ob ich vor ihm Angst haben soll oder um ihn. Ich gebe zu, ich bin völlig verwirrt. Als ihr mit dem Gepäck aufgekreuzt seid, wusste ich schon, dass es heute Abend keine normale Kartenrunde werden würde. Aber du hast nicht erwähnt, dass dir klar war, dass etwas im Gange ist. Du wusstest, dass dieser Typ anrufen würde. Sobald er am Telefon war, habe ich etwas sehr Merkwürdiges gespürt, und dabei verfüge ich nicht einmal mehr über die Intuition, die ich früher hatte. Dennoch … es ist wirklich sehr sonderbar. Ich verstehe überhaupt nicht, was hier vorgeht.« Sie zögerte. »Aber ich glaube, es besteht ein Konflikt. Der Mann befindet sich in einem Konflikt.«
»Ja, irgendetwas liegt in der Luft. Du hast recht, es handelt sich um einen enormen Konflikt. Aber worum es dabei geht … Ich weiß es nicht. Doch in dem Moment, als ich ihn sah, hatte ich genau dasselbe Gefühl.«
Lucian stand auf und begann nachdenklich den Tisch zu umrunden. Maggie starrte auf Jade. Jade zuckte mit den Achseln und schüttelte den Kopf, womit sie wohl sagen wollte, dass auch sie sich aus all dem keinen Reim machen konnte. Jades Nacken prickelte. Lucian und Maggie kannten sich schon sehr, sehr lange. Jade wusste, dass Maggie ihren Mann Sean liebte, und sie war felsenfest davon überzeugt, dass Lucian sie aus ganzem Herzen liebte. Doch manchmal hatten Maggie und Lucian seltsame Intuitionen, bei denen Jade unwillkürlich eifersüchtig wurde. Das Wissen der beiden würde ihr nie im gleichen Umfang zur Verfügung stehen.
Dennoch hatte auch sie Maggie sehr gern. Sie war ihre beste Freundin.
Sie besuchten die Plantage häufig, und auch eine Reihe anderer enger Freunde und Verbündeter kamen oft vorbei, obwohl sie sehr unterschiedliche Leben führten. Die alte Plantage am Stadtrand von New Orleans war ein wundervoller Ort, um sich mit guten Freunden zu treffen. Maggies Familie wohnte hier schon ewig, und das angrenzende Anwesen hatte Seans Familie gehört. Das Haus war herrlich groß und weit weg vom geschäftigen New Orleans. Zwar erregte man in New Orleans kaum Aufsehen, wenn man etwas aus dem Rahmen fiel, aber die Plantage bot trotzdem eine gewisse Distanz und Intimsphäre, die ihnen ein anderer Ort womöglich nicht ermöglicht hätte.
»Am meisten stört mich, dass ich nicht den Finger darauf legen kann«, meinte Lucian. Er blieb stehen und sah die anderen drei an, als wolle er sie um Verständnis bitten. »Ich weiß, dass etwas Grauenhaftes bevorsteht. Und ich bin absolut überzeugt, dass Finn Douglas eine wichtige Rolle dabei spielt. Eigentlich wundert es mich, dass er so lange gebraucht hat, uns anzurufen. Er hat mit seinem Stolz zu kämpfen, und sicher macht er sich auch Sorgen um seinen geistigen Zustand.«
»Jetzt verstehe ich gar nichts mehr«, meinte Maggie und starrte erst auf Jade, dann auf Lucian. »Du bist gespannt wie ein Flitzebogen, du weißt, dass etwas los ist, hast aber keine Ahnung, was. Trotzdem hast du in dem Moment, in dem du den Mann getroffen hast, genauso gut wie ich gewusst, dass er etwas Seltsames an sich hat. Aber du hast uns nichts davon gesagt, und das sieht dir gar nicht ähnlich. Fangen wir doch mal damit an: Wer ist
Weitere Kostenlose Bücher