Das Erwachen
… Er hoffte, er würde nicht zu viel davon liefern.
Obwohl er schon geduscht hatte, beschloss er, ein zweites Mal zu duschen, in der Hoffnung, das heiße Wasser würde die Spannung in seinen Muskeln lockern und ihn wieder klarer denken lassen.
Tatsächlich hatte der heiße Strahl eine beruhigende Wirkung. Megan war bei Martha, dort konnte ihr nichts passieren. Ob sie ihn nun für übergeschnappt hielten oder nicht, er hatte das Gefühl, dass das Paar aus New Orleans einiges von diesem Unsinn aufklären und für die bizarren Vorfälle eine rationale Erklärung finden könnte.
Er nahm sich vor, Ruhe zu bewahren, komme, was da wolle. Heute Abend würde er Megan völlig gelassen begrüßen, ja nicht einmal eine Erklärung verlangen.
Aber während er sich abschrubbte, fiel es ihm schwer, vernünftig und entschlossen zu bleiben. Dieser Mann aus New Orleans hatte gesagt, dass er auf Megan aufpassen müsse, vor allem in der Dunkelheit. Und dass sie sich vor dem Nebel hüten sollten …
Tja nun, das war leichter gesagt als getan. Man konnte nie wissen, wann dieser widerliche Nebel kam, und Megan war nicht bei ihm, sie hatte ihn verlassen. Wie sollte er da auf sie aufpassen?
Beim Abtrocknen dachte er wieder, dass es vielleicht besser wäre, Salem zu verlassen. Vielleicht würde er sie heute Nacht dazu überreden können. Megan, findest du es nicht grauenhaft, wenn in diesen albernen Horrorfilmen Teenager im Wald rumhängen und rummachen, während der Killer unterwegs ist und solche Teenager zerhackt? Ich glaube, wir sind im Wald. Es ist Zeit, uns aus dem Staub zu machen. Zum Kuckuck mit unserer Karriere, entscheiden wir uns lieber für unser Leben!
Aber Lucian DeVeau hatte ihm doch eben erst gesagt, es würde keine Rolle spielen, wenn er versuchte wegzulaufen. Er würde doch immer wieder hier landen.
Das war bestimmt Unsinn. Und es war bestimmt verrückt gewesen, diese Leute anzurufen. Sie waren sicher genauso verrückt und von irgendeiner eingebildeten Kraft überzeugt wie die Wiccas. Aber trotzdem …
Er zog sich an und entschloss sich zu dem Versuch, in Huntington House noch eine Tasse Kaffee aufzutreiben. Etwas, was ihn wach halten und dazu beitragen würde, einen klaren Kopf zu behalten.
Gemächlich schlenderte er in den Salon. Ob er wohl jemandem begegnen würde? Fallon, der wahrscheinlich wusste, dass Megan ihn verlassen hatte, und ihn wieder anstarren würde wie einen gewalttätigen Ehemann? Oder Susanna, diese mürrische Alte, die die Gäste so unwillig und arrogant bediente, dass sich die meisten Pensionsbesitzer mit Grausen von ihr abgewandt hätten?
Doch weder Fallon noch Susanna waren da. Im Salon hüpften nur die Kinder herum, die kleine Ellie und ihr großer Bruder Joshua. Sie spielten an einem der Tische ein Brettspiel. Trotz seiner schlechten Laune begrüßte Finn die zwei munter und wünschte ihnen viel Spaß.
»Haben wir«, erwiderte Joshua schulterzuckend. »Und wie hat Ihnen das Museum gefallen, von dem ich Ihnen erzählt habe?«
»Du hattest recht, es war ziemlich gut.«
»Ich mag das Museum von Mr Smith!«, meldete sich Ellie zu Wort.
»Dr. Smith«, verbesserte Joshua. »Er hat alle möglichen tollen Schulabschlüsse, hat Mom gesagt. Aber er ist trotzdem cool.«
»Ja, das ist er wohl«, pflichtete Finn ihm bei, wenn auch widerwillig. Warum eigentlich? Der Bursche war klug, und er war durch und durch vernünftig. Es war nicht seine Schuld, dass er ein alter Freund von Megan und auch noch klug und vernünftig war.
Ellie stand auf und kam zu Finn, der sich gerade einen Kaffee einschenkte. »Hier ist es ziemlich unheimlich«, sagte sie.
Er lächelte, stellte die Tasse ab und ging vor der Kleinen in die Hocke. »Ellie«, beruhigte er sie, auch wenn ihm selbst hier schon oft genug ziemlich unheimlich gewesen war. »Es ist Halloween. Verkleide dich einfach. Du weißt doch, dass die Monster in diesen Museen nicht echt sind, oder? Es sind entweder Puppen oder Leute, die sich verkleidet haben.«
»Monster sind Leute, die sich verkleidet haben«, wiederholte sie. »Aber was ist, wenn sie sich nicht verkleidet haben?«
Finn runzelte die Stirn und warf einen fragenden Blick auf Joshua.
Joshua schnitt eine Grimasse. Er wirkte etwas verlegen. »Ich glaube, Mr Fallon ist ein Monster, und vielleicht ist Susanna auch eins.«
»Ach so? Wie kommst du denn darauf?« Finn zwinkerte Ellie zu. »Susanna ist eine alte Vogelscheuche. Pst – verratet bloß keinem, dass ich das gesagt habe. Aber sie ist
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