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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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Ehepaares von Rönstedt involviert war. Selbstverständlich sei das Gespräch vertraulich und informell, versicherten sie sich gegenseitig, um eine gemeinsame Basis für den Austausch zu finden.
    Er sei mehrmals am Haus gewesen, gestand Ludevik. Irgendwie fühle er sich unruhig und nicht wohl in seiner Haut, weil er Henry zu einem Urlaub geraten habe.
    Carmen, die sehr reserviert war, wurde erst gesprächiger, nachdem ihr Ludevik die Beziehung zur Familie von Rönstedt geschildert hatte. Und dass er, Ludevik, Henry schon mehr als zehn Jahre kannte.
    Ob er denn etwas von Problemen in der Ehe gewusst habe, fragte Carmen. Ludevik gab die Gerüchte weiter, die er gehört hatte. Mehr sei da nicht gewesen. Ihn habe man nie aufgesucht.
    »Aber ein Gerücht besagt, dass Sarah versucht haben soll, ihrem Leben ein Ende zu machen. Von einer Brücke. Frau Dr. Sigallas, können Sie mich in dieser Beziehung etwas aufklären?«
    Carmen erzählte den Hergang so weit, wie sie es verantworten konnte. Sie fügte hinzu, dass sie sich später einige Male mit Sarah getroffen habe.
    »Ist von Rönstedt vielleicht wegen Sarahs Tod so seltsam geworden?«
    Ludevik konnte ihre Frage nicht beantworten. Zwar kenne er, wie bereits gesagt, die von Rönstedts schon viele Jahre, aber Henry sei nie sein Patient gewesen. Das habe sich erst vor einigen Wochen geändert.
    »Sarah ist jetzt sechs Wochen tot. Und Henry, ihr Mann, wird von Ihnen behandelt. Und er fährt vier Wochen nach ihrem Tod in Urlaub. Hat er eigentlich um seine Frau getrauert?«
    Ludevik musste passen, er wusste es nicht. »Wenn ich ehrlich sein soll, dann glaube ich noch nicht einmal, ob er in seinem jetzigen Zustand genau weiß, was alles geschehen ist.«
    »Sie meinen, er verdrängt Sarah? Steht es so schlimm um den großen von Rönstedt?«
    »Ja. Henry verdrängt vieles. Er ist innerlich zerrissen und kämpft gegen sich selbst. Henry leidet unter gewissen Vorstellungen.« Ludevik schien noch mehr sagen zu wollen, atmete deutlich aus und ließ es dann doch sein.
    Sie tranken ein weiteres Bier, anschließend Kaffee, und tauchten nach und nach tiefer in die Hintergründe der von Rönstedts ein. Und als Carmen von ihren privaten Gesprächen mit Sarah berichtete, der Ehetortur, den Vergewaltigungen, den Schlägen und dem Ordnungstick von Henry, erzählte er ihr von den Engeln, den Träumen und den Stimmen, die er hörte.
    Spontan lud er sie zu sich nach Hause ein. Dort hörten sie sich gemeinsam das zuletzt aufgenommene Band an, auf dem Henry von mehreren Tagen Gefangenschaft im eigenen Weinkeller gesprochen hatte.
    »Normalerweise hätte ich niemandem dieses Band vorspielen dürfen. Aber ich möchte Sie als Kollegin um Rat fragen.«
    Carmen äußerte sich nicht zu der Rechtfertigung von Ludevik, indem er sie als Kollegin aufwertete. »Aber das redet Henry sich doch alles nur ein. Nicht wahr?«
    »Ja.« Ludevik nickte. »Wir wissen es, aber Henry nicht. Für ihn ist es Fakt.«
    »Der Logik entsprechend, seiner Logik entsprechend«, verbesserte sie sich, »müsste er demnach die ganze Zeit im Haus gewesen sein und diese Gefangenschaft auch tatsächlich auf seine Art durchlebt haben.«
    »Ja, das wäre möglich«, gab Ludevik nach einer Weile zu. »Es könnte nachts mit einem Traum beginnen, den er anschließend weiter spinnt, weiter auslebt. Für Henry verschwimmt der Unterschied zwischen Traum und wach sein.«
    »Für ihn scheint noch mehr zu verschwimmen. Zum Beispiel das mit dem Tablett. Zuerst hat er darauf geschissen, um mit Henrys Worten zu reden, plötzlich war es wieder sauber und mit Essbarem garniert. Dieser Widerspruch der verschiedenen Tablettauflagen, wenn ich es mal so formulieren darf, der zwischen Ekelerregendem und etwas Normalem, dem Essen also, ist schon frappierend.«
    »Ich erkläre mir das mit Henrys Ordnungstick. Er gibt zu, angeblich darauf geschissen zu haben, erwähnt aber nicht die Reinigung. Dadurch wird in seinem Kopf der erste unordentliche Vorfall praktisch ausgelöscht, auch wenn er in realita überhaupt nicht stattgefunden hat.«
    Einige Passagen hörten sie zum zweiten Mal und später noch ein weiteres Mal.
    »Ich kann mich nicht gegen den Eindruck wehren, aber mir kommt es vor, als habe Henry Sehnsucht nach der Engelstimme«, meinte Carmen.
    »Diese Stimme, vielleicht eine Erinnerung an seine Mutter, scheint die einzige Ordnung in seinen Träumen zu sein. Seine Mutter wird für ihn vielleicht auch ein Engel gewesen sein. Oder zumindest etwas …

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