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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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liefen mir keine Hunde entgegen. Alles wirkte ruhig, still – mir kam das Grundstück, das Haus im Schatten der Burg irgendwie … sterbend vor. Und Henry erweckte auf mich den Eindruck, als sei er ebenfalls ruhig und still. Er begrüßte mich ohne irgendeine sonst von ihm gewohnte Reaktion, weder freundlich noch ablehnend. Jedoch so, als hätte er mit meinem Besuch gerechnet, obwohl ich unangemeldet kam, ganz spontan einer Eingebung folgend. ›Schön dass du da bist‹, sagte er. Das war alles, während er mich ins Haus führte. In der Diele sah ich tatsächlich einen Koffer. Wir gingen hinaus auf die Terrasse. Getränke standen auf dem Tisch, auch hochprozentiges, und ein Glas. Henry war also allein gewesen. Und dann setzten wir uns und plauderten zuerst über Nebensächlichkeiten. Seine Firma, den geplanten Urlaub, über die Saarburger und das Wetter. Es war warm an diesem Tag. Henry trug Jeans und ein kurzärmeliges Hemd. Irgendwann stockte unsere Unterhaltung, er sah mich erwartungsvoll an.«
    »Henry war nicht aufgeregt? Unsicher oder nervös?«
    Ludevik verneinte Sarahs Frage. »Heute würde ich sagen, er hat Beruhigungsmittel genommen. Seine Bewegungen erschienen mir langsam und bedächtig.«
    »Aber ich war doch zu diesem Zeitpunkt gleich nebenan im Keller. GefesseltundinmeinemeigenenDreckhausend, mit Tabletten vollgepumpt.«
    Ludevik rechtfertigte sich erneut: »Henrys Ruhe kam mir zwar ungewöhnlich vor, aber nicht irgendwie beängstigend, als versuchte er, etwas zu kaschieren oder zu überspielen.«
    »Und er gab sich kooperativ? Sprach mit Ihnen bereitwillig? Beantwortete all Ihre Fragen?«, wollte Carmen wissen.
    Ludevik nickte. »Ich hatte den Eindruck, als sähe Henry in mir mehr und mehr einen Beichtvater für seine Psyche.
    Ludevik schob eine CD in seinen Laptop, drehte das Gerät in Sarahs und Carmens Richtung und klickte auf »Start«.
    »Wie soll ich das verstehen, ich solle all meine Probleme aufstapeln, eines auf das andere.« Henry sprach langsam und überlegt, seine Stimme klang ruhig und überdeutlich, als wolle er präzise sein und jedes Missverständnis vermeiden.
    »Zum einen, damit du sie alle sehen kannst, und zum anderen, um Ordnung in deine Probleme zu bringen.« Ludevik hoffte, die richtigen Worte und den richtigen Tonfall gefunden zu haben. Noch wusste er nicht, sollte er zu Henry wie zu einem Erwachsenen oder eher wie zu einem Kind oder Jugendlichen reden.
    Henry überlegte einige Sekunden. »Und wenn ich sie alle gestapelt habe, was dann?«
    »Henry, wir suchen uns das Problem heraus, welches am wichtigsten ist. Das Initialproblem. Aus einem Initialproblem können viele andere Probleme erwachsen, sie verursachen.«
    »Ich verstehe«, antwortete Henry. »Aber welches ist mein Initialproblem?«
    Ludevik hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich kann es deshalb noch nicht wissen, weil auf dem Stapel noch einige Probleme fehlen. Meist legt man die tiefsten und schlimmsten und wichtigsten und quälendsten Probleme erst beim zweiten oder dritten Versuch obenauf.«
    »Willst du damit andeuten, ich hätte dir nicht alles gesagt?« Deutlich war der ärgerliche Unterton herauszuhören.
    »Du hast mir alles gesagt, Henry«, beschwichtigte Ludevik ihn sofort. »Aber in dir selbst können Mechanismen sein, die ein Problem blockieren, es quasi vor dir selbst verstecken, damit du dich nicht unnötig und permanent mit ihm beschäftigen musst. Dann erkennst du es selbstverständlich nicht. Sogar wenn du wolltest, du könntest mir dieses Problem nicht nennen.«
    »Wenn das so ist, dann kommen wir einfach nicht weiter«, konstatierte Henry.
    Ludevik schaute zu ihm, aber Henrys Augen waren in die Ferne gerichtet. »Möglicherweise hast du Recht. Aber mit deiner Hilfe können wir es eventuell überlisten, können wir deine Mechanismen überlisten, wenn ich dir einige Fragen stelle und du dich bemühst, sie mir aufrichtig zu beantworten.«
    »Ich lüge nie.« Immer noch schaute Henry in die Ferne.
    »Natürlich Henry. Du belügst mich nicht. Aber etwas in dir könnte es tun. Ohne dein Zutun. Sollen wir beginnen.«
    »Ja.«
    Ludevik griff in seine Jackentasche, legte zusammengefaltetes Papier und einen Stift vor sich auf den Tisch.
    »Wofür brauchst du Papier?«, wollte Henry wissen. »Das Band läuft doch mit. Und die Kamera. Eine japanische?«
    Ludevik nickte..
    »Und so handlich. Teuer?«
    »Es geht.«
    »Und warum schreibst du dann noch mit?«
    Nur so eine Angewohnheit von mir«, brummte

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