Das Erwachen
setzten sich auf eine Bank nahe einer kleinen Quelle, die sich durch einen Felsspalt an die Oberfläche drückte.
»Mir ging es wie dir. Manchmal ist man ungemein erstaunt, wenn man an sich, an seinem Körper, Dinge und Reaktionen erfährt, die einem bisher verschlossen geblieben sind«, begann Sarah. »Bevor du etwas Falsches denkst, Carmen, ich war nie mit einer Frau intim gewesen. Vielleicht ist mir da was entgangen. Aber es hat mich trotzdem ungemein berührt und mitgenommen.«
Sarahs Stimme hatte sich verändert. Sie war dunkler und kehliger geworden, als fiele es ihr schwer, darüber zu reden. Als erinnere sie sich wieder an das, was sie so bewegt und mitgenommen hatte. Vielleicht durchlebte sie auch im Augenblick die Situation.
»Wenn man mir vorher gesagt hätte, ich könne so intensiv auf eine Frau reagieren, ich hätte sie oder ihn einen Lügner genannt. Es kam wie eine Woge. Wellen von ungeahnten Schwingungen, meine Haut brannte, ich fühlte mich schwach, konnte kaum noch auf den Beinen stehen. Mein ganzer Körper vibrierte. Und ich hatte den Kopf gesenkt, um ja nicht in die Augen der anderen schauen zu müssen. Ich fühlte mich schuldig und schmutzig, weil ich so empfunden hatte. Und niemand sollte das in meinem Gesicht sehen.«
Sarah wandte sich ab und atmete heftig. »Mir, einer verheirateten Frau, musste so etwas passieren. Und auch noch in aller Öffentlichkeit. Bei einer Ausstellung. Hier in Saarburg.
Rizzi hatte ausgestellt. Im Amüseum. Der Raum knalle voll. Es war Sommer und sehr warm. Ich trug nur ein leichtes Leinenkleid und nichts darunter.«
»Keinen Slip?«
»Keinen Slip«, bestätigte Sarah.
»So hätte ich dich nicht eingeschätzt. Aber entschuldige, ich habe dich unterbrochen.« Carmen nickte aufmunternd.
»Vor einiger Zeit traf ich Klara, eine alte Freundin. Wir hatten uns Jahre nicht gesehen. Und in ihrer Begleitung war Vanessa, wohl zehn Jahre älter als ich. Vanessa war äußerst gepflegt, sehr dezent und gut geschminkt und sah auf ihre Art phantastisch aus. Aber etwas an ihren Augen irritierte mich. Es kam mir vor, als schaue Vanessa durch mich hindurch und dann auch wieder ganz tief in mich hinein. Und sie lächelte kaum merklich. Nur ihre Lippen bewegten sich dabei leicht und gaben einen Blick auf ihre weißen Zähne frei.
Klara besorgte uns etwas zu trinken, und Vanessa hakte sich bei mir unter, zog mich einfach mit in das obere Stockwerk, um mir dort einige Exponate zu zeigen. Nebeneinander gingen wir die enge Treppe hinauf, und ich spürte, wie Vanessas Hüften an den meinen rieben. Anfangs dachte ich mir nichts dabei, die Treppe war wirklich eng. Unerwartet drehte sich Vanessa in meine Richtung, um mir etwas ins Ohr zu flüstern, obwohl es dazu keinen Anlass gab. Heute weiß ich auch nicht mehr, was sie mir gesagt hatte. Ich glaube, auch damals hatte ich nicht zugehört, nicht zuhören können. Scheinbar zufällig berührten sich unsere Brüste und ich spürte, wie wir beide reagierten. Vanessas Gesicht war ganz nah, sie roch verführerisch, schaute mich an, griff ungeniert meine Finger und verschränkte sie mit den ihren. Jeder, der uns zufällig beobachtete, musste den Eindruck gewinnen, wir wären gut miteinander bekannt und hätten uns etwas Vertrauliches zu sagen.
Oben auf dem Treppenabsatz angekommen wandte sie sich mir zu und legte mir wie selbstverständlich eine Hand auf die Hüfte. Vanessa kam näher und ich fühlte den Druck ihres Oberschenkels zwischen meinen Beinen. Ich war verwirrt, brachte keinen Ton über die Lippen und schaute sie nur an. Grüne Augen hatte sie, mit glitzernden Sprenkeln. Und in diesen Augen erkannte ich eine Lust, die mich erwartungsvoll erschauern ließ. Ohne mich dagegen wehren zu wollen fühlte ich auch Lust in mir aufsteigen und ein zwanghaftes Bedürfnis, sie gleichfalls anzufassen, meinen Körper an den ihren zu drücken.
Außer uns war niemand im oberen Stockwerk. Vanessas Mund kam näher, ich konnte ihren Atem riechen. Sie schloss die Augen und war nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt. Ihre Hand rutschte von meiner Hüfte und schob sich zwischen unsere beiden Körper. Ich ließ mich treiben, gab alle Vorbehalte auf und wartete mit vibrierendem Körper, was Vanessa mir hoffentlich antun würde.
Dann schlagartig die Ernüchterung. Wir hörten meine Freundin Klara mit den Getränken die Treppe hinaufsteigen und trennten uns. Erst in diesem Augenblick wurde mir bewusst, dass die beiden ein Paar waren. Und meine Freundin
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