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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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denkt, er könne es wieder tun?«
    Sarah überlegte und sah die Bilder vor sich. Schließlich gab sie zu, dass sie an diesem Abend viel getrunken habe und im Wohnzimmer eingeschlafen sei. Zuerst habe sie gedacht, sie träume. »Ich sehe schon den Richter vor mir, wie er mich angrinst. Es wird nämlich ein Richter sein, der die Verhandlung führt und nicht eine Richterin.«
    »Und warum probierst du es nicht wenigstens? Lässt die Polizei die Arbeit machen. Und den Staatsanwalt. Außerdem würde es sich herumsprechen.«
    »Ich lasse mich scheiden.«
    »Das ist keine Antwort.«
    »Carmen, wie viele gute Rechtsanwälte kennst du?«
    »Einige.«
    »Welcher von ihnen würde nicht für Henry einen Freispruch erzielen?«
    Carmen antwortete nicht.
    »Jeder Anwalt der Gegenseite würde meine Vergewaltigung in zwei Minuten zerpflücken. Bedenke bitte, Henry hat einen Zeugen dafür, dass ich zu viel getrunken hatte. Und der wird auch bestätigen, dass ich freiwillig mit ihm ins Schlafzimmer gegangen bin. Ich kenne den Zeugen. Der bestätigt alles, was Henry von ihm erwartet.«
    Am Nachmittag, Sarah saß vor dem Fernseher, ohne etwas mitzubekommen, überlegte sie, ob es richtig war, Carmen zur Mitwisserin zu machen. Noch kannte sie die Ärztin nicht lange genug, um ihr vollständig zu vertrauen. Aber zumindest zeigte sie Verständnis, so wie Frauen wohl immer Verständnis aufbringen für andere, die ähnliche Probleme in ihrer Ehe zu bewältigen hatten. Leid schweißt zusammen.
    Ein Effekt jedoch hatte sich eingestellt: Sarah fühlte sich erleichtert, endlich einmal über all das gesprochen zu haben, was sie bewegte, sich in ihr festgekrallt hatte und sie nicht mehr losließ. Was bereits zum Teil ihrer selbst geworden war und sie in allen Phasen bestimmte. Ihr Verhalten, ihr Denken, ihr Leben. Sie spürte eine permanente psychische und physische Belastung, als trüge sie ein Gewicht mit sich herum, welches sich bis in ihr Innerstes durchdrückte und sie einschnürte. Sie ertappte sich dabei, dass sie in Gedanken versunken mit gesenktem Kopf ging und die Umwelt nicht wahrnahm. Sie spazierte über die Straße, ohne nach links und rechts zu schauen und zuckte zusammen, wenn Autofahrer hupten oder bremsten.
    Beim Einkaufen stopfte sie einfach die Taschen voll. Und so kam es immer häufiger vor, dass Mary, die Haushaltshilfe, unnütze Dinge wieder umtauschte.
    Sarah zeigte kein Interesse für den Haushalt, besonders keines für die Küche, und auch hier war es Mary, die ihr diese Verpflichtung abnahm. Früher hatte Sarah gerne gekocht und die Gäste bewirtet, heute jedoch drückte sie sich davor und es kostete sie Überwindung. Einmal sogar hatte sie Henry angefahren, als dieser sie aufforderte, einen kleinen Imbiss zuzubereiten. Mach es doch selbst, war ihre Antwort gewesen.
    Blumen im Frühjahr pflanzen, die Rosen zurückschneiden, dem Garten den letzten Pfiff geben, sogar ein Tor oder den Zaun streichen, im vergangenen Jahr kümmerte sie sich überhaupt nicht darum. Der Garten wurde wilder, das Gras wucherte, Henry stellte jemanden ein, der sich seiner annahm.
    Es war nicht so, dass Sarah all diese Veränderungen nicht mitbekam. Sie registrierte sie emotionslos und verspürte kein Bemühen, sie abzustellen. Eine Reaktion auf Henry und dessen Verhalten. Er war der Schuldige, der Verursacher, sie die Trotzige, die zu keinem Kompromiss bereit war.
    Das Haus war ihr inzwischen gleichfalls einerlei. Vor etwas mehr als einem Jahr gab es in allen Räumen frische Blumen, besonders in der Diele und im Wohnzimmer. Pflanzen standen auf Podesten, größere auf dem Boden vor der Fensterfront, und vermittelten den Räumen eine wohnliche Atmosphäre. Kaum zwölf Monate sind vergangen, in denen alle Pflanzen nach und nach eingegangen waren. Von Henry darauf angesprochen, zuckte sie einfach mit der Schulter. Pflanzen brauchen Liebe, ich auch, dachte sie.
    »Unser Heim zu verschönern, Sarah, das ist deine Aufgabe«, hatte er gesagt.
    »Was nützt mir ein schönes Heim für unsere Gäste, wenn ich selbst kein Heim habe«, war ihre Antwort.
    Über Henrys Vorwürfe, sie vernachlässige ihre Pflichten als Ehefrau und als Hausfrau, hatte sie nur gelacht. Und später hinzugefügt: »Ich habe nur Pflichten und keine Rechte. Über mein Konto muss ich Rechenschaft ablegen, keinen Schritt kann ich ohne deine Einwilligung machen, über all meine Aktivitäten willst du informiert sein. Und nur die Wünsche werden von dir erfüllt – falls ich überhaupt noch

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