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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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öffnete die Tür zum Vorzimmer, schaute nach, wer dort sein könnte und ließ sie einen Spalt offen.
    »Ich brauche Luft«, meinte er zu Ludevik. »Frische Luft«, fügte er hinzu, nickte heftig und nahm wieder Platz. »Frische Luft kann man nie genug haben.« Henry schielte aus den Augenwinkeln zu der geöffneten Tür.
    Ludevik, nicht sonderlich erpicht auf diese Weisheiten, meinte: »Jetzt von vorn, Henry. Erzähle mir bitte, wie alles angefangen hat.«
    Henry redete eine halbe Stunde monoton und ohne Pause, als lese er eine Geschichte von einem Blatt ab.
    »Es begann also alles mit dieser Unordnung, die jemand extra gemacht hat, um dich zu ärgern.«
    »Genau.« Henry schien nun etwas lebhafter zu werden.
    »Schon Sarah war unordentlich. Habe ich das richtig verstanden?«
    »Ja. Besonders mit dem Geschirr und dem Besteck und den Sesseln und Bildern.«
    »Verstehe.« Ludevik machte sich Notizen. »Deine Haushaltshilfe Mary und all die anderen sind es auch.«
    »So ist es.«
    »Wie lange ist denn Mary schon bei euch?«
    Henry wusste es nicht genau. »So um die fünf Jahre oder etwas mehr.« »Und wie heißt Mary mit richtigem Namen?«
    »Maria Oberhausen.«
    »Ledig oder verheiratet?«
    Henry musste passen. »Ledig«, vermutete er.
    »Und warum trägst du heute keine Krawatte?«, fragte Ludevik, der Henrys korrektes Auftreten kannte.
    »Die hat jemand versteckt.«
    »Hast du denn nur eine Krawatte?«
    »Nein, ich habe sehr viele. Aber heute ist Donnerstag, und donnerstags trage ich immer die blaue mit den gelben Punkten.«
    Ludeviks Gesicht wurde nachdenklich. »Mit den Schuhen ist es auch so, nicht wahr?«
    Henry schüttelte den Kopf. »Ich kaufe mir von jedem Modell, das mir gefällt, mindestens drei oder vier Paar.«
    »Und warum sind die Schuhe nicht geputzt?«
    Henry schaute an sich herunter. »Weil es die von gestern sind.«
    »Und die von heute?«
    Henry zuckte mit der Schulter.
    »Sind die für heute nicht geputzt worden?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Oder hast du sie nicht gefunden?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Dann hast du also einfach die von gestern angezogen, Henry.«
    Henry überlegte. »Ja, so ist es.« Und als müsse er sich entschuldigen: »Aber sie standen im Schlafzimmer.«
    Ludevik kombinierte, dass dort immer die geputzten Schuhe zu stehen hatten, wollte jedoch nicht weiter nachfragen, ihn interessierte ein anderer Aspekt wesentlich mehr.
    »Deine Träume, erzähle mir von deinen Träumen.«
    Es ging schon auf Mittag zu, als Henry aufhörte. Ludevik hatte sich mehrere Seiten Notizen gemacht. Nun sah er nicht mehr nur nachdenklich aus, sondern besorgt.
    »Waren das alle deine Träume?«
    Henry verneinte.
    »Welchen hast du mir noch nicht erzählt?«
    »Den von vergangener Nacht.«
    »Und warum nicht?«
    Henry druckste herum und antwortete nicht.
    »Würdest du ihn mir bitte auch erzählen?«
    Henry stand auf, warf erneut einen Blick aus dem Fenster, schaute auch in das Vorzimmer und ließ die Tür wiederum einen Spalt offen. Unschlüssig blieb er mitten im Raum stehen, neigte den Kopf leicht, als lausche er und schien alles andere zu vergessen.
    »Henry … der letzte Traum.«
    »Was …? Ach ja, der Traum.« Henry fand sich wieder in Ludeviks Praxis und damit in der Realität ein, setzte sich, zog etwas die Beine an, drückte die Arme an die Brust und legte die Hände in seinen Schoß. Langsam und leise begann er zu erzählen.
    Es begann damit, dass er zum zweiten Mal die defekte Birne ausgewechselt hatte. Und dann wartete er jede Nacht darauf, dass sich der Traum wieder einstellen würde, der Traum mit dem ehemaligen Weinkeller. Nach vier Nächten war es so weit. Aber Henry hatte sich präpariert. Beim letzen Traum hatte er die Wand angeritzt, aber am kommenden Tag war davon nichts mehr zu sehen. Und als er jetzt aufwachte, sich im erhellten Verließ wiederfand, tastete er im Traum, wie er meinte, hinter das rechte Ohr. Diese Bewegung ließ die Fesselung gerade noch zu. Und Henry entfernte hinter seinem Ohr ein kleines Pflaster und klebte es an die Innenseite des Regalbodens. Von außen war es nicht zu sehen.
    Unaufgefordert setzte sich Henry auf die Decke und wartete auf die Stimme. Aber sie meldete sich nicht. Wiederholt forderte er die Stimme auf, etwas zu ihm zu sagen. Vergeblich.
    »Was willst du denn jetzt noch von mir wissen?«, fragte er und schaute sich um. »Meine Kindheit kennst du bereits. Und auch meine Schulzeit. Wieso interessierst du dich eigentlich so für mich?«
    Er erhielt

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