Das Erwachen
leichter seine Gedanken erraten und herausfinden können, wie der Gelehrte dachte.
Einen Edelstein verstecken ... Hinter jeder Wahl zwischen mehrerenMöglichkeiten steckte eine Logik, so abwegig sie auch anmuten mochte.
Slew setzte sich wieder auf Storts abgewetzten, verschlissenen Stuhl und fragte sich, welche anderen Gelehrten ihn wohl im Laufe der Jahrzehnte benutzt hatten, abgesehen von Brif selbst, als er jung gewesen war.
Brif, Storts Mentor.
Brif. Das brachte ihn auf einen Gedanken.
»Hören Sie, Thwart«, sagte Slew wenig später, »werden in Ihrer Bibliothek eigentlich auch Schriften aus der Feder Master Brifs aufbewahrt? Bevor ich abreise, hätte ich gern eine in der Hand gehalten.«
Er hatte ein gutes Gefühl, als er dies sagte.
»Mehrere, Bruder Slew.«
»Ich denke mir oft«, sagte Slew, »dass ich, sollte ich jemals selbst ein Buch zustande bringen, den lieben langen Tag nichts anderes tun werde, als es mir anzusehen!«
»Master Brif nicht! So viel ist gewiss. Das Letzte, was sich ein Gelehrter ansehen wolle, hat er einmal zu mir gesagt, sei sein eigenes Werk, wenn es einmal fertig ist. Das würde ihn wohl allzu sehr an die mühevolle Arbeit der Niederschrift erinnern, und schließlich ...«
Thwart war nun wieder besserer Laune und so gesprächig wie eh und je.
Slew schenkte ihm ein beruhigendes, aufmunterndes Lächeln.
»... und schließlich gilt es ja, wenn ein Buch fertig ist, ein neues zu schreiben.«
»Das stimmt«, pflichtete Slew ihm bei. »Dann sagen Sie mir doch bitte, was er geschrieben hat, und ich werde Sie bitten, mir eines der Werke zu bringen!«
»Also ... wollen mal sehen ...«
Thwart zog seine Karteikarten zu Rate, und nach einer oder zwei Minuten sagte er: »Fünf insgesamt, Bruder Slew. Stehen alle oben in den offenen Regalen. Nein ... nur vier. Eines befindet sich hier unten. Hmmm ... ach ja, es ist ein Handbuch ... ein Verzeichnis der Werke ã Faroüns.«
Slew sah ihn fragend an.
»Der Lautenspieler«, erklärte Thwart.
»Der Baumeister«, erwiderte Slew.
Thwart nickte. »Genau der. Die Bibliothek besitzt eine umfangreiche Sammlung der Werke ã Faroüns, Originalhandschriften und dergleichen. Sie zu katalogisieren war Master Brifs Aufgabe, als er hier anfing, und fertig wurde er damit erst, als er Meisterschreiber war. ã Faroün arbeitete in Brum für einen Vorfahren Lord Festoons, der die Schriften der Bibliothek gestiftet hat.«
»Es wäre mir eine Ehre, das Verzeichnis einzusehen. Ich bin mit ã Faroün und seinen Werken nicht vertraut.«
»Ich auch nicht«, sagte Thwart. »Ich werde es auf der Stelle holen!«
Und dies tat er. Er sperrte eine Gittertür auf, schloss hinter sich wieder ab und verschwand zwischen dunklen Regalen.
Nur Minuten später kam er zurück, einen schmalen, neu aussehenden Band in der Hand.
»Nicht eben imposant für ein Lebenswerk!«
Er trat in den Hauptraum und reichte den Band Slew. Dieser setzte sich damit an seinen Tisch und täuschte mehr ein allgemeines als ein spezielles Interesse vor, während er so tat, als wollte er das Buch nur eine Weile in der Hand halten und durchblättern.
»Hmmm, das ist eine Liste von ... du meine Güte! Dieser Gelehrte hatte ja vielfältige Interessen ... Musik war offenbar ein Schwerpunkt ... Mathematik ... Architektur ...«
Seine Stimme verlor sich, als ihm eine Unterüberschrift ins Auge stach.
Die Hauptüberschrift lautete »Architektur«, die Zwischenüberschrift »Brum«, und die Überschrift unter dieser sprang ihn förmlich an: »Der Saal der Jahreszeiten.«
»Etwas von Interesse?«, fragte der stets neugierige Thwart.
Es kostete Slew Mühe, ruhig und gleichgültig zu klingen.
»Nicht direkt«, log er, während es in seinem Kopf fieberhaft arbeitete. »Mir ist nur soeben zu Bewusstsein gekommen, dass ich meinen Aufenthalt in Brum gar nicht dazu genutzt habe, den Saal der Jahreszeiten zu besichtigen.«
»Oh, das geht auch gar nicht. Er befindet sich in Lord Festoons Residenz.«
Slews Herz hatte zwar einen Sprung getan, doch er verwarf den Gedanken, dass der Stein dort sein könnte, schnell wieder.
Er ist hier, nur Meter von der Stelle entfernt, an der ich sitze.
Er blätterte um und stellte zu seiner Überraschung fest, dass unter der Überschrift »Saal der Jahreszeiten« sehr viele Schriften und andere Dokumente aufgelistet waren.
»Jetzt verstehe ich, warum Master Brif so lange dafür gebraucht hat ...«
Wieder hielt er inne, denn es folgte noch eine Unterüberschrift. Sie
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