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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Horwood
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nicht ...«
    Slew sah Thwart an. Seine Geduld war erschöpft.
    Er ballte die Hand zur Faust und versetzte dem wehrlosen Bibliothekar einen so kräftigen Schlag, dass er rückwärts taumelte.
    »Bitte«, flehte Thwart mit blutendem Gesicht, »beschädigen Sie nichts ...«
    Selbst jetzt noch versuchte er, obwohl schwach und in der Gewalt eines Hydden, der stärker war als die meisten, die Dinge zu schützen, die seiner Obhut anvertraut worden waren.
    Slew schlug ihn erneut, fester diesmal, und schickte noch einen Fußtritt hinterher.
    »Seien Sie jetzt still«, sagte er leise zu dem am Boden liegenden Bibliothekar, aus dessen rechtem Ohr Blut sickerte. »Kein Wort mehr.«
    Thwart zitterte kurz und blieb dann reglos liegen, das Gesicht blass im Halbdunkel, sein Leben dem Ende gefährlich nahe, seineWelt zerbrochen, sein Verstand nicht fähig zu verstehen, warum er so fror und warum ...
    »Seien Sie still«, befahl Slew und versetzte ihm noch einen kräftigen Tritt. Thwart war still.
    Was Slew in den Händen hielt, war ein sehr großes Tuch, groß genug, um einen Tisch oder mehr damit zu bedecken, reich bestickt und mit glänzenden Pailletten und Steinen besetzt. Selbst im Schummerlicht zwischen den Regalen leuchteten seine Farben. Doch aus der Nähe war es unmöglich, das Gesamtmuster zu erfassen.
    Er fegte Ordner und Kästen vom Tisch, sodass ã Faroüns kostbarer Nachlass nach allen Seiten flog.
    Dann legte er das bestickte Tuch auf den Tisch, breitete es so weit wie möglich aus und trat zurück. Fast blieb ihm das Herz stehen, als ein kleiner Lederbeutel auf den Boden fiel. Er hatte zwischen den Falten gesteckt. Und er war leer. Ob sich der Stein darin befunden hatte? Ob er absichtlich dort plaziert worden war, um in die Irre zu führen? Slew vermochte es nicht zu sagen.
    Er erkannte sofort, dass es ein sehr erlesenes Tuch war, doch worum genau es sich handelte, wusste er noch immer nicht. Er betrachtete es eine Weile, bis ihm endlich aufging, was er vor sich hatte.
    Es war eine Abfolge von Szenen, die die Jahreszeiten darstellten, angefangen beim Frühling über den Sommer und Herbst bis zum Winter, der etwas Düsteres und Bedrückendes hatte. Die Farben waren verblüffend, die Darstellungen von Bäumen und Vögeln, Bergen und Flüssen, Himmel und Erde sehr schön. So schön, dass Slew förmlich in die Bilder hineingezogen wurde, als berge die Stickerei den Zauber der Jahreszeiten, die sie wiedergab.
    »Das würde mein Herr bestimmt gern besitzen«, murmelte Slew. »Aber ich habe noch nicht gefunden, was ich suche ... Sehen wir uns den Frühling genauer an ...«
    Er vermutete, dass Stort den Stein unter eine Stickerei oder ein aufgenähtes Stück Stoff geklemmt hatte, aber das ganze Ding war groß und kompliziert, voller Erhebungen und Vertiefungen, von denen jede als Versteck für einen kleinen Stein dienen konnte. Zudem stellten die vielen Farben des Tuchs eine gute Tarnung dar. Keine stach heraus, sodass sich ein Stein jeder Farbe mühelos darin verbergenließ. Slew sah es sich an, fuhr mit dem Finger darüber, sah es sich wieder an.
    Keine Spur von dem Stein.
    Slew nahm den Sommer in Augenschein. Vielleicht hatte Stort beschlossen, nicht das Naheliegende zu tun. Dann den Herbst und den Winter. Er strich mit den Fingern über den schönen Stoff, tastete ihn Stück für Stück ab, hielt ihn gegen das Licht, das aus dem Hauptraum hereinfiel. Vielleicht machte sich der Stein, wenn er denn da war, durch ein Funkeln oder auf irgendeine andere Weise bemerkbar.
    Nichts.
    Doch er spürte, dass er hier irgendwo war, umfangen und verborgen von den Jahreszeiten, die ihn vor Entdeckung schützten.
    »Wo bist du?«, flüsterte er. »Sprich zu mir ...«
    Dann sah er noch genauer hin.
    Mister Pike verlebte eine miserable Nacht und einen noch miserableren Morgen.
    Er hatte kaum geschlafen, denn der Knüppelkampf zwischen dem Mönch und dem Nordländer vor dem Muggy Duck war ihm noch bis in die frühen Morgenstunden nachgegangen. Es war ihm unbegreiflich, wie ein gewöhnlicher Mönch so kämpfen konnte, es sei denn, er war gar kein gewöhnlicher Mönch. Aber wenn er keiner war, was hatte er dann in Brum zu suchen?
    Master Brif hatte in ihm einen gewissen Bruder Slew erkannt, einen unbedeutenden fahrenden Gelehrten, der wie viele Pilger, die im Sommer nach Brum kamen, gerne die Bibliothek besuchte.
    »Sie richten keinen Schaden an und haben dasselbe Recht wie jeder andere, unsere Bücher zu Rate zu ziehen. Gelehrte wachen häufig

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