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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Horwood
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Stadt antreten. Die Strecke war dicht mit Trauernden gesäumt, die Lilien auf den vorbeifahrenden Sarg warfen, was die betrübliche Szene und den grauen Tag etwas freundlicher gestaltete.
    Bedwyn Stort und seine Begleiter waren erst zwei Tage zuvor aus Woolstone zurückgekehrt. Stort war zutiefst erschüttert und empfand quälende Schuld. Er war überzeugt, dass Brif noch am Leben wäre, wenn er den Stein an einem anderen Ort versteckt hätte. Seine Freunde versicherten ihm, ihn treffe keine Schuld, doch Stort blieb untröstlich.
    Er schritt die ganze Strecke bis zur Anlegestelle des Boots bleich hinter dem Sarg her und setzte sich dann traurig daneben, ohne von seiner Umgebung Notiz zu nehmen. Barklice und Pike nahmen schweigsam und grimmig in seiner Nähe Platz.
    Brunte, der ebenfalls erst seit kurzem wieder in Brum weilte, fuhr mit Feld, Backhaus und mehreren Ratsmitgliedern auf einem zweiten Boot hinter dem ersten her.
    Auf der großen, sumpfigen Wiese, wo die Flüsse Rea und Trent sich trafen und wo die Stadt traditionell von ihren Großen Abschiednahm, war aus Reisigbündeln ein mächtiger Scheiterhaufen errichtet worden.
    Trotz der nachmittäglichen Stunde war es noch immer trüb. Der kurze Weg vom Boot zum Scheiterhaufen wurde von Fackeln beleuchtet, deren Flammen emporloderten und Funken regnen ließen wie feurige Tränen.
    In all der Trauer und Aufregung über das schreckliche Ereignis hatte nur Bibliothekar Thwart daran gedacht, Brifs Knüppel zur Bestattung mitzubringen. Er hielt ihn mit sichtlichem Unbehagen und nur, weil kein anderer dazu bereit war. Der Knüppel war untrennbar mit der Person Brifs verbunden, und seine eigentümlichen Schnitzereien, die so eindrucksvolle Kräfte entfaltet hatten, wenn er ihn trug, erglühten in zornigem Rot und Schwarz und ließen ihn viel zu groß und imposant erscheinen für einen Mann wie Thwart.
    Aber da Thwart ihn nun einmal mitgebracht hatte und nicht wusste, was er sonst mit ihm tun sollte, folgte er dem Sarg, als dieser zum Scheiterhaufen getragen und darauf abgesetzt wurde, und nahm, den Knüppel in der Hand, neben ihm Aufstellung wie eine einsame Ehrenwache wider Willen.
    »Mister Pike«, sagte Thwart, »ich finde nicht, dass ausgerechnet ich ...«
    Pike schüttelte den Kopf.
    »Master Stort, Sie standen Master Brif doch so nahe, vielleicht möchten Sie ...«
    »Ich konnte und kann den Knüppel nicht halten, Thwart, ich bin seiner nicht würdig. Im Übrigen glaube ich nicht, dass es in meiner Wurd liegt, es zu tun!«
    »Nun«, erwiderte der bedauernswerte Thwart flüsternd, da ihm ein solches Gespräch nicht für die Ohren der Öffentlichkeit geeignet schien, »in meiner Wurd liegt es mit Sicherheit nicht, aber ... ach, Lord Festoon, würden Sie vielleicht ...?«
    Festoon blickte auf den unglücklichen Bibliothekar hinab.
    »Sie machen das vortrefflich, lieber Freund, vortrefflich!«
    Und so stand Thwart tief bedrückt mit dem großen Knüppel da und wartete darauf, dass das Ritual endlich begann.
    Trauer und Gram über den Verlust wurden zusätzlich durch eine tiefe Betroffenheit und eine nicht geringe Besorgnis verstärkt, dieman nur im Flüsterton zum Ausdruck brachte und die im Laufe des Tages immer weiter um sich griff.
    Grund hierfür war der durchaus berechtigte Eindruck, dass niemand, auch nicht Lord Festoon, wusste, was geschehen sollte, wenn die Bestattung vorüber war. Genauer gesagt, was getan werden sollte, um den gestohlenen Stein zurückzuholen.
    Slews wahre Identität war inzwischen bekannt, allerdings wussten nur wenige, was der Titel des Schattenmeisters tatsächlich bedeutete und dass sein Träger wahrscheinlich nahezu unbesiegbar war.
    Ihm den Stein wieder abzunehmen, hieß, ihn der Obhut des Kaisers selbst zu entreißen. Dies war ein verlockender Traum, aber auch ein gefährliches Unternehmen, das, wie Brunte und Festoon nur zu gut wussten, einen Angriff des Reichs auf ihre Stadt unausweichlich machen würde.
    Richtig war jedoch auch, dass der Besitz des Steins bei künftigen Verhandlungen zwischen Brum und Bochum als Druckmittel hätte benutzt werden können. Dieser Vorteil war nun verloren, und die Stadt war der Macht des Reiches ausgeliefert.
    Dies waren heikle Probleme, deren Lösung einen kühlen Kopf und Führungsstärke verlangte, Eigenschaften, an denen es Brunte und Festoon offenbar mangelte, denn keiner von beiden wusste, was als Nächstes zu tun war. Sie konnten Bochum ja schlecht angreifen. Aber sie wollten auch nicht einfach

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