Das Erwachen
dasitzen und darauf warten, dass sie vernichtet wurden.
»Nach der Trauerfeier werden wir uns etwas überlegen«, hatte Festoon zu Vertrauten wie Pike gesagt.
»Ich brauche etwas Zeit, um gründlich darüber nachzudenken, vorher kann ich nicht sagen, wie wir weiter vorgehen sollen«, gestand Brunte Feld und den anderen.
Die Bürger Brums wollten einfach nur ihren Stein zurückhaben und Vergeltung für Brifs Tod.
Daher war es keine Überraschung, dass bei der Bestattung Missbehagen und Unruhe herrschten, auch noch als die Zeremonie begann.
Das Brumer Totenverbrennungsritual war einfach. Es begann mit der Anrufung des Spiegels aller Dinge und der Fürbitte, den Verstorbenen wieder in seine endlosen Tiefen aufzunehmen.
Diese Worte wurden von Festoon gesprochen.
Danach folgten stille und laute Gebete, Trauerlieder sowie Abschiedsreden von Brunte auf der einen und Mister Pike auf der anderen Seite, die beide zwar lobenswert waren, aber weder ganz die Stimmung trafen noch dem entsprachen, was die Trauergemeinde hören wollte.
Manchmal sind schöne Worte eben nicht genug. So auch in diesem Fall, in dem nur der unverfälschte Ausdruck wahrer Gefühle dem Augenblick etwas Wahrhaftiges und Denkwürdiges verleihen konnte.
So kam es, dass, als die Aufforderung erging, mit der Verbrennung zu beginnen, die Menge murrte und den Wunsch äußerte, zuvor ein paar Worte von Master Stort zu hören. Immerhin war er Brifs bedeutendster Schüler gewesen, und alle Anwesenden wussten, dass er dem Meisterschreiber fast wie ein Sohn gewesen war.
Natürlich hatten Festoon und Pike Stort bereits gebeten zu sprechen, doch er hatte abgelehnt. Er sei nie ein großer Redner gewesen, und wie könne ausgerechnet er, der gewissermaßen Brifs Tod herbeigeführt habe, noch etwas von Wert oder Bedeutung hinzufügen?
»Ich kann nicht«, hatte er gesagt. »Ich kann einfach nicht.«
Nun aber wartete der Scheiterhaufen, und was immer Stort empfinden mochte, alle Augen waren erwartungsvoll auf ihn gerichtet.
Wie es der Zufall wollte, tauchte just in diesem Augenblick im Rücken der Menge und von ihr unbemerkt ein Stück flussaufwärts ein Bilgenerboot auf.
Am Ruder stand, sichtlich erschöpft, aber sehr zufrieden mit sich, Old Mallarchi.
»Ich will verdammt sein, wenn sie mich davon abhalten wollen, der Bestattung des Meisterschreibers beizuwohnen! Und wenn Sie nur ... hoppla, jetzt wäre ich doch beinahe ins Wasser gefallen.«
Die starken Arme seines Fahrgastes hielten ihn aufrecht und hievten ihn auf festen Boden.
Er war, wie erwähnt werden muss, etwas berauscht im alkoholischen Sinne. Nicht sehr, aber genug. Beim Anblick des vorbeiziehenden Trauerzugs hatte er seinen ersten Schluck getan, und als der Zug seinem Blick wieder entschwunden war, hatte er in dem Verlangen, seinen Kummer zu ertränken, weitere folgen lassen. Was ihnjedoch dazu bewogen hatte, eine Flasche Muggy-Met im Boot zu deponieren für den Fall, dass er sie später brauchen würde, war die Bitte eines verspäteten Trauergastes, ihn zu der Bestattungsfeier zu fahren.
»Das kann ich nicht«, hatte er gesagt. »Ich stehe an der Schwelle des Todes.«
»Natürlich können Sie, Sie stehen seit Jahren an der Schwelle des Todes.«
»Meinen Sie?«
»Es ist das Mindeste, was Brif erwartet hätte.«
»Sind Sie sicher?«
»Ganz sicher. Außerdem, wie soll ich sonst hinkommen?«
»Ich darf nicht. Ma’Shuqa hat es mir verboten.«
»Sind Sie der Vater ihrer Tochter oder ihr Ruderknecht?«
»Hol’s der Teufel«, sagte Old Mallarchi, »ich werde es tun, für Sie und für mich.«
Und das hatte er.
Jetzt ging er mit seinem Fahrgast genau in dem Moment hinter der Trauergemeinde an Land, als Stort sich genötigt sah, vor die Menge hinzutreten. Eine Menge, die nach Worten lechzte, die ihre Gefühle zum Ausdruck brachten, ihre Trauer über Brifs Tod, ihre Ängste und ihre verzweifelte Hoffnung, dem Schrecken möge sich noch etwas Gutes abgewinnen lassen.
»Also, liebe Trauergäste ...«, begann Stort.
»Wir können Sie nicht verstehen! Sprechen Sie lauter, Master Stort!«
»Oh ... äh ... ich wollte ...«
»Noch lauter!«
»Ich wollte soeben sagen, dass ... nun ja, dass Master Brif ... dass er ... ich meine, dass wir ohne ihn ... ohne ihn ...«
Tränen sind keine Schande, besonders wenn sie von Herzen kommen, und unter den Versammelten war keiner, der nicht mit Stort fühlte oder nicht froh gewesen wäre, dass er sie vergoss.
»Von allen Hydden auf dieser Welt hat er mir am
Weitere Kostenlose Bücher