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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Horwood
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gelernt. So wurde er selbst ein Fyrd und übte Vergeltung, indem er heimlich ihre Angehörigen tötete und bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihre Pläne durchkreuzte.
    Feld war aufgefallen, dass Brunte stets, wo er ging und stand, eine Eisenstange bei sich trug. Langdolch und Stilett waren seine bevorzugten Waffen, aber die Eisenstange?
    »Ich trage sie für den Fall bei mir, dass mich meine Wurd eines Tages mit dem Fyrd zusammenführt, der meine Familie ermordet hat.«
    »Es ist doch beschwerlich, sie ständig mit sich herumzuschleppen«, sagte Feld.
    »Umso mehr erinnert sie mich an meine Pflicht zur Rache.«
    Trotz solcher Reden wurde Brunte dort oben in den Bergen, wo er das klare, kalte Wasser der Wildbäche trank und die einfache Kost der Hydden aß, denen sie begegneten, etwas milder. Vielleicht hatte der Aufstand seine Rachegelüste gestillt. Vielleicht hatte die Gutmütigkeit der Brumer Bürger auf ihn eine besänftigende Wirkung.
    Oder weckten das fortschreitende Alter und die rauhe Landschaft in ihm eine Liebe zur Erde, die er kaum kannte, und reifte in ihm die Erkenntnis, dass es mehr im Leben gab als das Kriegshandwerk?
    Sie reisten wieder nach Süden, erkundeten unterwegs das sanftere Bergland der Yorkshire Dales und schlossen Bekanntschaft mit den unbeugsamen Hydden, die dort lebten.
    Sie kamen nach Darnbrookdale, unter dessen von menschlichen Steinhauern hinterlassenen Schutthalden sie Hydden antrafen, die im Schatten der menschlichen Vergangenheit lebten und sich das, was die Menschen aufgegeben hatten, zunutze machten.
    Die Kinder dieser Hydden waren noch nie Männern wie Brunte und Feld begegnet, die gut bewaffnet waren, sonderbar sprachen und alles mit funkelnden Augen betrachteten. Doch sie fürchteten sich nicht vor den Besuchern aus Brum, zeigten ihnen im Schatten der Halden, was sie gelernt hatten, und sagten, das Haar vom Wind zerzaust, mit ihren piepsigen Stimmchen das Alphabet und Zahlenreihen auf.
    Sie stellten Fragen über Brum, das ihnen wie eine Märchenwelt erschien.
    »Es ist gut, sich das alles einmal anzusehen, Sir«, sagte Feld. »Und zu wissen, was wir verteidigen. Das ist Freiheit.«
    Aber Brunte hatte einen anderen Gedanken.
    »Doch ich fürchte, Feld, dass wir Sterblichen, ob Fyrd oder nicht, ob Menschen oder Hydden, eines Tages auch diese schönen Orte verlieren werden. Sehen Sie sich an, was die Menschen mit diesem Land gemacht haben, auf dem wir Hydden so lange ein gedeihliches Leben geführt haben!«
    Er deutete auf die hohen Abraumhalden, über deren steile Hänge die Schatten der Sommerwolken zogen.
    »Aber sie sind größtenteils zugewachsen«, sagte Feld. »Es ist kaum noch etwas zu sehen.«
    »Die Narben bleiben«, erwiderte Brunte, »und die Gänge unter der Erde. Glauben Sie, Mutter Erde spürt sie nicht?«
    »Für sie sind das doch nur Nadelstiche«, sagte Backhaus leichthin. »Nun aber, Sir, sollten wir ...«
    »Entblößen Sie ihren Arm«, forderte Brunte und zog einen der beiden Dolche, die er stets bei sich trug, aus dem Gürtel.
    »Sir ...«
    »Entblößen Sie ihn«, brüllte Brunte. »Und dann sagen Sie mir, ob ein Nadelstich wehtut.« Er stach ihm in den Arm. Backhaus sog vor Schmerz hörbar die Luft ein.
    »Hat das wehgetan, Hauptmann?«
    »Ja, Sir.«
    »Sagen Sie nie wieder, Mutter Erde hätte keine Schmerzen. Sie spürt die Schmerzen, die wir ihr zufügen. Ich bin ein praktisch veranlagter Hydden, ein einfacher Soldat, aber ich würde das Leben meiner Mutter darauf verwetten, dass die Erde Schmerz empfindet. Der Spiegel stehe uns bei, falls sie jemals beschließen sollte, ihre ganze Kraft gegen uns zu wenden!«
    In dieser Nacht suchten die Erdbeben, die den Norden Englalonds bislang verschont hatten, die Yorkshire Dales heim. Eine heftige Erschütterung riss die drei Hydden aus dem Schlaf. Sie hatten mit ihrem Begleitschutz auf einer kahlen Höhe gelagert. Nun erzitterte der Boden unter ihnen nicht nur einmal, sondern dreimal. Sie hörten Schreie und eilten den Hang hinab zu dem Dorf, in dem sie tags zuvor von den Kindern so freudig begrüßt worden waren.
    Das Dorf war nicht mehr da.
    Im Dämmerlicht sahen sie, dass die Halde ins Rutschen geraten war. Sie hatte alles unter mehreren Metern Trümmergestein begraben. Kein Dorfbewohner hatte überlebt bis auf den Mann, der sie auf die Anhöhe geführt und, da es über ihr Gespräch spät geworden war, bei ihnen genächtigt hatte.
    Er hatte alles verloren.
    Keiner, den er auf der Welt kannte, war am Leben

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