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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Horwood
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griff zu seinem Dienstknüppel. »Wir brauchen Ruhe, etwas zu essen und Schlaf, bevor wir aufbrechen.«

34
DIE KÖNIGIN DER REIVERS
    D as Cottage der Foales lag in dem kleinen Dorf Byrness, Northumberland, im wilden, kargen Grenzland zwischen Englalond und Schottland. Arthur hatte das Haus vom schottischen Zweig seiner Familie geerbt, der es gelegentlich für dies und das genutzt, schließlich aber hatte verwahrlosen lassen.
    Aus grob behauenen Steinen errichtet, mit grauem Schieferdach, spärlichen Fenstern und einem offenen Kamin, der rauchte, wenn ein Wind ging – und eigentlich ging immer ein Wind – lag es im engen Tal des River Rede. Dunkle, von der staatlichen Forestry Commission angelegte und unnatürlich wirkende Wälder zwängten das Dorf im Norden und Süden ein. Im Osten und am tiefer am Hang gelegenen Ende reichten die Bäume bis an die Straße heran und vermittelten dem Reisenden das Gefühl, hier nie wieder herauszukommen, wenn er zu lange verweilte.
    Im Westen, hangaufwärts, spiegelten sich die Bäume und der weißgraue Himmel im dunklen Wasser des Stausees Catcleugh. Die Talsperre, die das Wasser staute, stellte für jeden, der in diese Richtung zu entkommen suchte, ein gewaltiges unüberwindliches Hindernis dar.
    »Jetzt fällt mir wieder ein, warum keiner aus der Familie das Cottage wollte«, sagte Arthur an dem Abend, als er mit Katherine und Judith dort eintraf. »Und warum ich nie gerne hergekommen bin. Es hebt nicht gerade die Stimmung.«
    »Kindern gefällt es«, erwiderte Judith unvermutet. »Und ihren Hunden. Man kann ihre Spuren im Schlamm draußen sehen.«
    Sie liebte es vom ersten Augenblick an. Ihr Sprechvermögen hatte sich ebenso rasch entwickelt wie ihr Körper. Ihre Müdigkeit war verflogen, und die Wachstumsschmerzen, die sie nie ganz verließen, hielten sich in Grenzen.
    Am ersten Morgen stand sie auf und lief hinaus in den dunklen Wald, bevor sie jemand aufhalten konnte.
    »Judith, du bist hier, damit dir nichts passiert, und nicht ...«, rief Katherine ihr nach, aber sie war bereits verschwunden.
    Katherine lächelte und beruhigte sich. Hier konnte sich Judith austoben, deshalb hatten Jack und sie ja beschlossen, sie herzubringen. In den ersten Tagen ihres seltsamen Lebens hatte sich alles um ihre körperliche Entwicklung gedreht. Jetzt stand ihre seelische und geistige Entwicklung im Mittelpunkt, und Katherine war davon überzeugt, dass sie und die Foales Judith in dieser Hinsicht eine größere Hilfe waren als der impulsivere und, ja, weniger geistig veranlagte Jack.
    Diese »Hilfe« bestand darin, dass man sie einfach in Ruhe ließ, damit sie Dinge verstehen lernte, die Katherine das Leben gelehrt hatte. Zum Beispiel über den Unterschied zwischen dem Gewinn, den man im Alleinsein findet, und dem Verlust, den man in der Einsamkeit erleidet.
    Wachsen war, in welcher Form auch immer, mit Schmerzen verbunden. Für Katherine war es das gewesen, und war es noch immer. Mit Sicherheit war das auch für die Schildmaid so. Katherine musste einfach nur für sie da sein, mehr brauchte sie nicht zu tun.
    Byrness hatte damit nichts zu tun. Die Leute blieben für sich, und wenn man einander begegnete, wurden keine Grüße ausgetauscht und keine Fragen gestellt.
    »Ich bin froh«, sagte Margaret, »dass wir Bücher mitgebracht haben, denn sonst würde ich innerhalb eines Monats vor Langeweile und Verzweiflung eingehen. Aber ich habe das Gefühl, Jack hatte recht – Hyddenland ist das hier nicht unbedingt.«
    »Nein«, erwiderte Arthur. »Wir sind hier im Land der Reivers, und das ist etwas ganz anderes. Es ist auch gut, dass wir Menschen sind und dass es meines Wissens in dieser Gegend keine Henges und Steinkreise gibt. Deshalb ist ein Übertritt in die andere Welt nicht möglich, selbst wenn wir wollten ...«
    »Trink eine Tasse Tee, Liebling.«
    »... aber wir wollen ja nicht.«Sie hatten ihre Wanderausrüstung mitgebracht, aber Judith, hatte ihren eigenen Kopf und legte noch immer keinen besonderen Wert auf ihr Äußeres, auch wenn sie gelegentlich mit feminineren Kleidern liebäugelte. Sie benutzte die Sachen, die sie im Haus fand und die von Arthurs Onkeln und Tanten oder deren Kindern im Laufe der Jahre dort zurückgelassen worden waren: beschlagene Armeestiefel, dicke grobe Kammgarnhosen, eine schwere Holzfällerjacke, Lederleggins, einen Schlapphut, unter den sie ihr widerspenstiges, dunkles Haar stopfte ...
    Und einen Wanderstock, der wohl einem Mann gehört hatte: abgewetzt,

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