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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Horwood
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Stickerei angefertigt, um auf die einzig mögliche Art die Wahrheit zu sagen. Für bestimmte Wahrheiten sind Worte unbefriedigende Vehikel.«
    »Hat ihn das auch zu den Bildteppichen im Saal der Jahreszeiten angeregt?«
    Stort zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht, aber ...«
    Er flitzte nach vorn und nahm die Stickerei genauer in Augenschein.
    »Das ist aber höchst merkwürdig ... Ich könnte schwören ... nein ... ausgeschlossen.«
    »Was?«
    »Es ist nur eine Stickerei, aber sie scheint mir ein Eigenleben zu haben. Wenn wir aus Bochum zurückkehren – falls wir überhaupt zurückkehren, versteht sich –, muss ich sie mir genauer ansehen und ã Faroüns Schriften gründlicher studieren.«
    Es dämmerte bereits, als die Besprechung mit Feld und den anderen begann. Zu Jacks Erleichterung war ein Großteil der Vorbereitungen bereits getroffen. Feld und Backhaus hatten verschiedene Karten von Bochum und seinen Stollen und anderes Material zusammengetragen, während Barklice alles Nötige für das Kampieren und Reisen mit leichtem Gepäck beschafft hatte.
    Alle Rucksäcke waren fertig gepackt, wobei der von Stort wie gewöhnlich überquoll, da er ihn mit einer Pfanne, einem Becher, grüner Schnur und seinen geliebten, den Menschen entwendeten schwarzen Müllsäcken vollgestopft hatte.
    Brunte stieß zu ihnen, teils um ihnen Glück zu wünschen, teils weil er wie Jack den berühmten Saal der Jahreszeiten sehen wollte.
    »Wenn der Hochaltermann gestattet, ich war nicht mehr dort, seit ... nun ja ... Sie wissen schon ...«
    Sie wussten.
    Dort hatte Jack Brifs Knüppel schwingen müssen, um Lord Festoon vor ernstem Schaden zu bewahren, als Brunte versucht hatte, ihn während des Aufstands unter Anklage zu stellen und zu töten. In dem Augenblick, da Brunte vorschlug, den Saal noch einmal zu besichtigen, kam Jack eine neue und interessante Möglichkeit in den Sinn, die er aber vorläufig für sich behielt.
    Sie fuhren mit dem alten Fahrstuhl hinauf in den Saal, einem behäbigen und lärmenden Gefährt von so geringer Größe, dass drei Fahrten nötig wurden.
    »Er hat seine Macken«, sagte Festoon als Erklärung, warum er darauf bestand, dass sie ihre Ausrüstung mitnahmen, »und eine davon ist, dass man, wenn man wieder nach unten fährt, nicht immer an derselben Stelle herauskommt, an der man eingestiegen ist. Dieser ã Faroün muss einen herrlich verwinkelten Verstand besessen haben!«
    Einige von ihnen kannten den Saal bereits, andere nicht. Er war achteckig und sehr groß. Der Fußboden bestand aus glänzendem Parkett, und ein in großer Höhe eingelassenes Oberlicht sorgte für Helligkeit. Vier der acht Wände wurden von breiten Mahagonitüren eingenommen, und auf jeder Tür stand der Name einer Jahreszeit: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Die Wände dazwischen waren mit Bildteppichen behängt, die zu den einzelnen Jahreszeiten passten. Sie gingen ineinander über und erzählten von der Geschichte des Lebens und der Reise der Sterblichen über die Erde, für welche die Jahreszeiten, die den Lebensabschnitten entsprachen, eine Metapher zu sein schienen.
    Aber der Saal erzählte nicht nur die Geschichte des Lebens.
    Er war auch so gebaut, dass er sich verändern und bewegen konnte wie das Leben, sodass ein Besucher, der die Bilder des Winters zu betrachten glaubte, im nächsten Augenblick in den Sommer eintauchte. Die Türen selbst waren echt, wie Jack und Stort wussten. Bei ihrem letzten Besuch vor zwei Jahren hatten sie die Tür des Frühlings durchschritten und sich wie durch Zauberei auf dem Waseley Hill wiedergefunden.
    Diesmal hielt ihnen Stort gleich nach ihrem Eintreffen aus dem Stegreif einen Vortrag über die Bilder, allerdings hatte Jack den Eindruck, dass er dabei mit Absicht nicht allzu sehr in die Tiefe ging, lediglich beschrieb, was alle mit eigenen Augen sehen konnten, und Fragen auswich. Anschließend wanderten sie im Saal umher, getrennt und zusammen, und verglichen die Bildteppiche mit der Stickerei aus der Bibliothek, in der Stort den Stein versteckt hatte.
    »Merkwürdig«, sagte Stort zum zweiten Mal an diesem Tag.
    »Was?«
    Mit Jack allein, war er eher bereit zu antworten.
    »Die Sache ist die: Alles erscheint sehr farbenfroh, aber es ist nicht genau so, wie ich es in Erinnerung habe. Ich finde, der Sommer, wie er hier dargestellt ist, wirkt gar nicht mehr sommerlich. Außerdem ...«
    »Was?«, rief Jack gereizt.
    »Nun ja, siehst du den Hügel, von dem der Fluss

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