Das Erwachen
loben, falls das Bankett seinen Gefallen fand, und ein anschließendes Wort unter vier Augen in der Küche hatten das Wunder bewirkt. Blut war froh, dass er der Versuchung widerstanden hatte, den Koch zum Teufel zu jagen. Denn nun, da das Bankett vorüber war und die Höflinge zum Festakt in die Große Halle strömten, sangen alle ein Loblied auf den kleinen Küchenmeister.
Endlich konnte Blut ein wenig aufatmen.
Das Fest verlief gut, und dank der Arbeit, die seine Kanzlei hinter den Kulissen geleistet hatte, erschien alles einfach und unkompliziert. Noch eine Stunde, dann war es überstanden. Abgesehen vom allgemeinen Umtrunk, aber so lange gedachte er nicht zu bleiben. Solltendie Jüngeren singen und tanzen – er würde sich in seine Unterkunft nahe der Oberfläche zurückziehen und dort den Abend verbringen, während der Kaiser sich ohne Zweifel einen sicheren Platz suchen würde, von dem aus er die Sterne betrachten konnte.
Blut stand mit Altermann Vayle, dem ranghöchsten Hofbeamten, neben dem Thron und kontrollierte vor dem unmittelbar bevorstehenden Eintreffen des Kaisers noch einmal einige Details und die Positionen wichtiger Höflinge, die Sinistral zum Thron geleiten sollten. Danach würde er bescheiden in den Hintergrund treten, jedoch in der Nähe des Kaisers bleiben, um ihm gegebenenfalls zu soufflieren oder notfalls auch nach vorn zu eilen und ihm Beamte und Höflinge vom Leib zu halten, die ihn mit ihren Anliegen und ihrem Geplapper verdrießen oder überfordern könnten.
Vayle beherrschte das höfische Protokoll aus dem Effeff, und wie Blut wusste er genau, wie man Ärger abwendete, bevor er eskalierte, ohne sich dabei aufzuplustern.
General Schlotle erschien, der Oberbefehlshaber der Fyrd, der inzwischen freilich im Schatten General Quatremaynes, seines wahrscheinlichen Nachfolgers, stand. Er wirkte ruhig und gefasst.
»Alles unter Kontrolle, meine Herren, allerdings gibt es auf den Korridoren gewisse Schwierigkeiten, weil mehr Leute zu den Feierlichkeiten wollen, als Sie vorausgesagt haben, Blut. Aber wir haben Maßnahmen ergriffen, sie umzuleiten und aufzuhalten, sodass das Fest zu Ende sein wird, wenn wir sie abgefertigt haben – in aller Höflichkeit, versteht sich.«
»Gab es Widerstand oder böses Blut?«, fragte Vayle.
»Erstaunlich wenig ... die Stimmung ist gut.«
Die Halle füllte sich jetzt rasch, und das Stimmengewirr wurde im selben Maße lauter, wie die Aufregung stieg.
Schlotle hatten Fyrd-Wachen im Raum verteilt, sie jedoch nicht so auffällig plaziert, dass sie in irgendeiner Weise bedrohlich wirkten.
Zwei Dreiergruppen in schwarz-roten Galauniformen standen links und rechts vom Thron. Für verschiedene wichtige Beamte und Botschafter waren auf einer Seite Stühle aufgereiht.
Die üblichen Seilabsperrungen waren entfernt worden, und vor dem Thron mit dem Amtsknüppel des Kaisers standen die beiden prachtvollen, mit Edelsteinen geschmückten, goldenen Truhen, indenen die Steine des Frühlings und des Sommers verwahrt wurden. Welcher in welcher lag verrieten die Edelsteine, mit denen die Deckel besetzt waren.
Der zur Linken des Throns schimmerte grün von Turmalinen und Obsidianen, Jadesteinen und Smaragden. Der zu seiner Rechten glänzte gelb von Saphiren und Citrinen, Fluoriten und einem Dutzend gelber Amethysten.
»Sollen sie geöffnet und die Steine gezeigt werden?«, fragte Vayle. »Alle wünschen es zu wissen.«
»Ja«, antwortete Blut, »ganz kurz, aber nicht gleichzeitig, denn dann bestünde die Gefahr, dass ihr Licht sich vermischt, was unabsehbare Folgen haben könnte. Ich habe dem Kaiser davon abgeraten, aber ... nun ja ... er ist der Kaiser. Wir können nur hoffen, dass er sich nicht dazu hinreißen lässt.«
»Ganz recht«, knurrte Schlotle. »Es ist nie ratsam, die Leute in übermäßige Aufregung zu versetzen, aber ich denke, wir haben die Lage bestens im Griff.«
Er lächelte selbstgefällig, aber er hatte überhaupt nicht verstanden, worum es ging. Es waren die Steine, die Blut Sorgen bereiteten, nicht die Leute.
Trompeten ertönten aus dem Hauptgang. Die Menge in der Halle beruhigte sich, und Stille trat ein. Schlotle, Vayle und Blut nickten einander zu und nahmen ihre jeweiligen Plätze rings um den Thron ein. Zusätzlich zu den Kerzen und der untergehenden Sonne wurde die Halle von vier Gaslampen erhellt. Diese wurden nun langsam heruntergedreht, was bewirkte, dass die Westfenster im allerletzten Abendlicht erstrahlten. Als auch dieses
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