Das Erwachen
verblasste, entfalteten die Kerzen ihren Glanz und brachten mit ihrem warmen, flackernden Spiel von Licht und Schatten die Blumen und den sonstigen Festschmuck eindrucksvoll zur Geltung.
Augenblicke später erklang wieder ein Tusch, und der Festzug trat ein, vorneweg Kinder in Hofuniformen, dann Frauen und schließlich, flankiert von Höflingen, der Kaiser selbst.
Niemand machte ein feierliches oder ernstes Gesicht. Sinistral hatte alle dazu angehalten, fröhlich zu sein, zu plaudern, zu scherzen, zu lachen und freudig in die Halle einzuziehen. Dies war ein Fest, ein Abend der Freude.
Mit ihnen strömten Musikanten herein, die auf Rohrhörnern und Sackpfeifen spielten, und ein Chor sang Reigenlieder, die von Jugend und Fröhlichkeit handelten.
Und mittendrin, größer als die meisten, prächtiger als jeder andere, glanzvoll in seiner Festrobe aus Zobel und schwarzem Samt, das Haar wie entflammt vom Schein der Kerzen, der Kaiser selbst, strahlend, lachend, winkend, jugendlich wie eh und je, wenngleich jetzt etwas steifbeinig und ungelenk. Einen Schritt hinter ihm zu seiner Linken folgte Leetha, ihr Kleid ein helles Gegenstück zu seiner Robe – schlicht, fließend und erlesen.
Zu seiner Rechten, einen dunklen Knüppel in der Hand, schritt Witold Slew, der als Einziger ein grimmiges Gesicht machte. Liebe, Macht, Stärke – diese drei Eigenschaften schienen nun im Herzen des Reiches vereint. Sie kamen den Mittelgang der Halle herunter, und die Höflinge erhoben sie wie ein Mann, strahlten und klatschten vor Freude.
Als der Zug vorn ankam, hoben vier rotgekleidete Bilgener den Thron vom Boden und trugen ihn auf ein Podest, das zwischen den beiden Truhen mit den Steinen stand.
Sinistral setzte sich, alle anderen folgten seinem Beispiel.
So erhöht er auch saß, die Truhen standen höher, und als ein Scheinwerfer eingeschaltet wurde, strahlten ihre mit Edelsteinen verzierten Deckel hell. Doch Sinistral, jugendlich und stark, wie er erschien, strahlte noch heller, und die Truhen wirkten wie Sterne an seinem Firmament. Es war ein überwältigendes, ehrfurchtgebietendes Bild.
Die Wachen traten in den Schatten zurück. Slew, ganz in Schwarz gekleidet, reichte seinen Knüppel dem Kriegsinvaliden, der ihn bei solchen Anlässen stets begleitete, und nahm stattdessen den Knüppel des Kaisers auf.
Die Musik verstummte, die Trompeten schmetterten einen letzten Tusch, und Vayle, der nun auf der Seite an einem goldenen Rednerpult stand, schlüpfte in die Rolle des Zeremonienmeisters: »Kaiserliche Majestät, meine Damen, meine Herren ...«
Alles vollzog sich in Schönheit und Würde, als die Auszeichnungen und Orden verliehen wurden. Die fröhliche Stimmung dauertefort, und Verleihung um Verleihung wurde mit Beifall bedacht und mit stolzem Lachen begrüßt.
»Und nicht zu vergessen«, sagte der Kaiser gegen Ende der Zeremonie, wobei seine kräftige Stimme mühelos bis in die hintersten Winkel der Halle drang und keine Anzeichen seiner Geistesstörung oder seines aufkeimenden Wahnsinns erkennen ließ, »den Herrn, der uns allen, wie ich glaube, heute mehr Freude geschenkt hat als jeder andere! Ich darf Ihnen den großen Küchenmeister Parlance vorstellen, der wie ich aus der abtrünnigen Rebellenstadt Brum stammt, die ... die ...«
Im selben Augenblick, als Parlance vortrat, um seine Urkunde in Empfang zu nehmen, merkte Blut, dass etwas nicht stimmte.
Er las es im Gesicht des Kaisers, das den ganzen Abend Fröhlichkeit und Zuversicht ausgestrahlt hatte. Es erbleichte, als er ins Stocken geriet, und nahm einen verwirrten und verstörten Ausdruck an.
Der Kaiser spähte über die Gäste hinweg zum Westeingang, an dem zwei Fyrd standen.
Blut folgte seinem Blick, entdeckte aber nichts Beunruhigendes.
Und doch hatte Sinistral diesen Ausdruck im Gesicht – Bestürzung, Verunsicherung, Angst.
Blut blickte ins Publikum, doch die Zuhörer hatten nichts bemerktund nahmen an, der Kaiser lege nur eine dramatische Pause ein. Leetha hingegen war ebenfalls stutzig geworden und blickte wie Blut besorgt.
»... die«, wiederholte der Kaiser zum dritten Mal, wobei er den Kopf auf die Seite legte, als höre er etwas, das sie nicht hörten, » die ... «
Aus dem Westeingang ertönte das Geräusch eiliger Schritte, und gleich darauf erschien ein Fyrd, schwitzend, keuchend, Verzweiflung in den Augen.
Diskretion wäre in diesem Augenblick angebracht gewesen, doch die ließ er vermissen. Er lief so schnell durch die Halle nach vorn, dass
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