Das Erwachen
Blut ihn gerade noch abfangen konnte, bevor er den Kaiser erreichte.
Blut packte ihn am Arm und hielt ihn fest.
»Was ist?«
»Es ... sie ... wir konnten sie nicht ...«
»Wer? Was?«, zischte Blut. »Und dämpfen Sie Ihre Stimme.«
»Sie kommen«, sagte der Wachmann. »Und wir sind zu wenige, um sie aufzuhalten.«
»Wer kommt?«
Zu spät, der Kaiser hatte es gehört.
Kreidebleich trat er vom Rednerpult zurück und fasste Blut am Arm.
Leetha eilte zu ihnen.
»Wer kommt?«, fragte sie.
»Könnt ihr ihn denn nicht hören?«, flüsterte Sinistral.
In der Halle wurde es grabesstill. Die Gäste waren sprachlos angesichts dieser sonderbaren Wendung der Ereignisse.
Dann vernahmen sie ein Stampfen wie von einer heranrückenden Armee und einen merkwürdig monotonen Sprechchor.
ã Faroün! ã Faroün! ã Faroün!
Der Kaiser stieß einen ängstlichen Schrei aus.
Leetha befahl: »Bringt ihn in Sicherheit!«
ã Faroün! ã Faroün! ã Faroün!
Doch als die Fyrd ihn an den Armen packen wollten, schüttelte er sie grimmig ab. Seine Angst wich Wut.
»Schattenmeister«, brüllte er, »Leetha, Blut, steht mir bei! Wir werden ã Faroün entgegentreten und ihn töten oder selbst sterben!«
»Sehen Sie, Gnädigste?«, flüsterte Blut. »Er verfällt dem Wahnsinn.«
»Vielleicht, Blut«, erwiderte Leetha, »vielleicht auch nicht. Wir werden sehen.«
Keiner rührte sich vom Fleck, denn was immer vom Geisteszustand des Kaisers und seinen Befehlen zu halten war, alle wollten bei ihm bleiben und ihm beistehen.
42
DER KAMPF
A ls sich Jack mit den anderen dem Eingang zur Großen Halle näherte, hinter ihm die aufgebrachte Menge, die danach trachtete, die Feierlichkeiten zu stören, erkannte er sofort den Ernst der Lage.
Vor ihnen standen vier unerschütterlich dreinschauende Fyrd, eisenbeschlagene Knüppel in den Händen und Armbrüste an den Gürteln.
Dahinter hatte sich ein Publikum aus festlich gekleideten Hydden beiderlei Geschlechts und jedes Alters versammelt. Bis vor Sekunden noch hatten sie zum anderen Ende der Halle geblickt, wo etwas ihre Aufmerksamkeit fesselte, das vom Korridor nicht zu sehen war. Nun aber, da sie den Sprechchor hörten, blickten sie erschrocken in Jacks Richtung.
Rechts neben ihm gingen Feld und drei oder vier entschlossen dreinblickende Kämpfer, die ihnen ihre Unterstützung zugesagt hatten, falls sie vonnöten sein sollte. Sie hatten gespürt, dass es ernst wurde, und zu ihm aufgeschlossen, um zur Stelle zu sein, wenn sie gebraucht wurden.
An seiner linken Seite marschierten Stort und Barklice. Er bezweifelte, dass sie in einem ernsten Handgemenge von großem Nutzen sein würden, aber das erwartete auch niemand von ihnen.
»Du kennst dich mit den Steinen aus, Stort, deshalb fällt dir die Aufgabe zu, sie dir schnappen, wenn du sie entdeckst! Wir werden dich schützen oder den Gegner von dir ablenken.«
Stort sah ihn pikiert an. »Mein verehrtester Jack«, erwiderte er steif, »diese Steine gehören zu den heiligsten Artefakten in Hyddenwelt und die ›schnappt‹ man sich nicht einfach so. In jedem Fall wäre man schlecht beraten, sie direkt zu berühren. Sie können heilen, aber sie können auch krank machen, und man weiß vorher nie, ob das eineoder das andere ... Ich habe den Frühling nur wenige Minuten in der Hand gehalten und Tage gebraucht, um davon zu genesen ...«
Jack grinste. »Dann wird Barklice dir helfen!«
»Äh ... wie Sie meinen.«
»Danke, Barklice!«
Der Korridor wurde nur von Gaslampen beleuchtet, die in Schulterhöhe an der Wand hingen und vor und hinter ihnen bedrohliche Schatten an die Decke warfen.
Das warme, flackernde Licht in der Halle vor ihnen ließ vermuten, dass sie hauptsächlich von Kerzen beleuchtet wurde. Ein paar konnten sie auf der anderen Seite erkennen – groß und elegant, mit hohen Flammen und leuchtenden Reflektoren dahinter.
Die Fyrd, die den Eingang bewachten, wurden von beiden Seiten angestrahlt, was vermuten ließ, dass auch dort Kerzen standen.
»Das Publikum stellt ein Problem dar«, sagte Jack mit leiser Stimme. »Es sind Kinder mit ihren Eltern darunter. Sie dürfen nicht zu Schaden kommen oder in Gefahr geraten. Gibt es weitere Ausgänge?«
»Zwei Hauptausgänge«, antwortete Feld, »und einen hinter dem Thron des Kaisers. Aber seine Wachen werden etwas dagegen haben, dass er benutzt wird. Und denken Sie daran, was ich gesagt habe – immer lächeln!«
Ein merkwürdiger Rat in einem solchen Augenblick, möchte man meinen,
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