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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Horwood
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doch das war er nicht. Feld hatte ihnen zuvor erklärt, dass die Fyrd darauf gedrillt waren, erst dann zur Armbrust zu greifen und zu schießen, wenn sie keine andere Möglichkeit mehr sahen. Lächeln verwirrte sie.
    Jetzt waren sie nur noch Meter entfernt und lächelten noch immer. Der Sprechchor der Menge hinter ihnen wurde lauter. Die Fyrd tauschten besorgte Blicke und machten Anstalten, ihre Armbrüste zu ziehen.
    Jack verlangsamte seine Schritte, als komme er in friedlicher Absicht, obwohl ihn der Sprechchor Lügen strafte. Doch jede Sekunde der Unschlüssigkeit auf Seiten der Fyrd war eine gewonnene Sekunde.
    »Wenn wir in der Halle sind, muss ich mir zunächst einen Überblick verschaffen und feststellen, wo die Steine sind«, sagte Jack.»Zu diesem Zweck müsst ihr mit euren Knüppeln eine Art Sperre bilden und die Fyrd zurückdrängen. Wir brauchen etwas Zeit, um zu klären, was Stort zu tun hat.«
    »Halt!«, rief einer der Fyrd.
    Jack stürmte augenblicklich vor, stieß den Rufer zurück und hielt seinen Knüppel waagerecht vor sich. Die anderen folgten seinem Beispiel, und die überrumpelten Fyrd wichen zurück.
    Jack trat in den so geschaffenen, schützenden Raum hinter seinen Mitstreitern zurück. Stort eilte an seine Seite. Schreie ertönten, Knüppelhiebe prasselten, Armbrüste wurden von Gürteln gehakt. Aber die beiden bewahrten Ruhe und vertrauten darauf, dass die anderen sie so lange abschirmten, bis sie die Lage erfasst hatten.
    Sie sahen den Thron, den Wandbehang dahinter, seitlich versetzt das Rednerpult und davor die beiden mit Edelsteinen geschmückten Truhen, die im Kerzenlicht in unterschiedlichen Farben erstrahlten.
    »Die Steine müssen in den Truhen sein«, sagte Stort. »Grün für den Frühling und gelb für den Sommer. Wie originell. Wir können nur hoffen, dass sie nicht verschlossen sind.«
    Jack erkannte den Kaiser auf den ersten Blick: Er war groß, blond und in eine prächtige, schwarze Festrobe gewandet. Neben ihm stand eine Hofdame, in den Vierzigern und schön, möglicherweise seine Gemahlin. Sie trug ein graues, mit Mondsteinen, Perlen und Achaten besetztes Seidenkleid.
    Vor den beiden, ganz in Schwarz, ein junger Mann, den man leicht für den Sohn des Kaisers hätte halten können. Höchstens zwei oder drei Jahre älter als Jack, aber größer und stämmiger , in der Hand einen gewaltigen Amtsknüppel.
    »Das ist der Schattenmeister, Jack«, raunte ihm Feld ins Ohr. »Strecken Sie ihn nieder, dann fällt auch der Rest ... Aber beim Spiegel! Wenn mich nicht alles täuscht, kenne ich ihn. Das ist ...«
    Aber Feld konnte den Satz nicht beenden. Die Fyrd gingen nun zum Gegenangriff über, und sie mussten die Sperre aufheben, wenn sie sich wirkungsvoll verteidigen wollten.
    »Bleib dicht hinter mir, Stort ...«, rief Jack mit rauher Stimme, als er von einem Fyrd attackiert wurde und ebenfalls seinen Knüppel drehen musste, um den Hieb des Gegners abzuwehren.
    Gleich darauf hörte er hinter sich Schreie. Dann spürte er einenjähen, brennenden Schmerz im Genick und seitlich am Hals. Hatte ihn jemand mit einem Messer angegriffen und ihm den Nacken und den Hals aufgeschlitzt?
    Er führte mit dem Knüppel einen Hieb nach vorn, fasste sich an den Hals, spürte eine heiße Flüssigkeit und befürchtete das Schlimmste. Er drehte sich nach seinem vermeintlichen Angreifer um – und begriff sofort, was geschehen war. Eine der großen Kerzen war umgefallen und hatte eine andere mitgerissen. Heißes Wachs war auf seinen Hals gespritzt, und rings um beide Kerzen waren Feuer ausgebrochen. Die Schreie stammten von Höflingen, die vor den Flammen flüchteten.
    Jack wandte sich wieder dem Kampfgetümmel zu, Feld jetzt an seiner Seite. Es wurde gebrüllt, gestöhnt, und die Fyrd drangen mit aller Macht auf sie ein.
    Wieder fiel eine Kerze. Flammen schlugen an einem Wandbehang empor bis hinauf zu den Fenstern und der Decke.
    »Los, weiter!«, rief Jack. »Nicht nachlassen! Schlagt sie in die Flucht.«
    Es war offensichtlich, dass niemand mit ihrem Kommen gerechnet hatte. Der Kaiser wurde nur leicht bewacht, und die Höflinge um ihn herum waren mittleren Alters oder älter. Sie wussten nicht, ob sie ihm beistehen oder die Flucht ergreifen sollten.
    Der Einzige, der nicht von der Stelle wich, war der Schattenmeister. Doch auch er schien zu schwanken, ob er den Kaiser oder die beiden Truhen beschützen sollte.
    Dann geschah etwas Seltsames. Etwas Dunkles legte sich wie ein Schleier über die

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