Das Erwachen
...«
Sam weinte mit.
»Und noch etwas ...«
War es das? War dies der Grund für ihre Trauer oder war es alles zusammen? Sie wusste es nicht.
»Es geht um Margaret Foale ...«
»Sie ist so etwas wie ... deine Adoptivmutter?«
»Ich glaube, sie wird sterben, Sam, und ich weiß nicht, was ich tun soll ...«
Als sie das Gespräch beendeten, floss Katherine über von Wehmut und Trauer. Trauer um ihre Mutter, um Jack, um Judith, um Margaret. Aber einstweilen hatte sie keine Tränen mehr.
Das Telefon klingelte, es war Arthur.
»Sie behalten sie über Nacht da, für weitere Untersuchungen. Ich werde bei ihr bleiben. Bei dir so weit alles in Ordnung?«
»Alles bestens, Arthur. Sag ihr liebe Grüße von mir. Und Arthur ...«
»Ja?«
»Alles Gute. Ich denke an euch.«
»Ich ... es ist nicht leicht, Katherine. Alt werden ist nicht leicht. Es ist kein schleichender Prozess, wie es immer heißt. Eines Tages wacht man auf, und es trifft einen wie ein Schlag. So wie heute.«
Sie ging in die Spülküche und zog ihre Wanderstiefel an. Es war ein warmer Tag mit Sonne und Wolken, und sie ging durch dieSeitentür ins Freie, durch den Garten, um das Henge, schlüpfte unter dem Stacheldrahtzaun durch und stapfte über die Wiesen in Richtung White Horse Hill. Sie trug Jeans und ein T-Shirt, und im Gehen kam ihr zu Bewusstsein, dass sie die Haustür nicht abgeschlossen hatte. Das hatte sie noch nie getan. Es war immer jemand da gewesen.
Die Windspiele werden das Haus schützen. Das haben sie immer getan und werden es immer tun.
Sie schritt über die vertrauten Wege, wie sie es häufig mit Jack und mit Arthur getan hatte, atmete die würzige Sommerluft, erfreute sich am Trillern der Lerchen und an den Sommerblumen, Skabiosen und Flockenblumen, derbe Pflanzen, die sie mochte.
Die Kreidehügel waren ihr Reich, und als sie sich an den steilen Anstieg machte, fühlte sie sich dem geliebten Jack sehr nahe. Aber er würde nicht wiederkommen. Sie konnte trauern, um sie alle trauern. Seit dem Gespräch mit Sam regte sich, versteckt unter all den Tränen, ein Gefühl von Erleichterung, von Freiheit, die Hoffnung auf ein anderes Leben.
Sie kletterte und kletterte, vorbei an dem weißen Pferd, dann vorbei an der eisenzeitlichen Wallburg und hinüber zum Kammweg, der alten Straße aus der Jungsteinzeit.
Sie blieb stehen, wo Jack und sie einst gestanden und einander gelobt hatten, eines Tages auf dem Kammweg nach Nordosten zu wandern, dann weiter auf dem Peddars Way, immer weiter und weiter, zusammen, da sie füreinander bestimmt waren.
Nicht in diesem Leben, wie es schien.
Margaret und Arthur kamen am Abend zurück, als es noch hell war.
»Sie wollte nicht bleiben«, knurrte Arthur.
»Untersuchungen ohne Ende«, sagte Margaret. »Deine Mutter Clare hat immer gesagt, sie wüsste es besser als die Ärzte. Jetzt weiß ich, was sie damit gemeint hat. Du siehst nicht gut aus.«
»Ich fühle mich auch nicht besonders. Was hat Mom gemeint?«
»Dass man auf seinen Körper hören soll. Dann sagt er einem, was er will.«
»Und was will deiner?«
»Sterben, mehr oder weniger. Er ist alt und verbraucht, und es waren einige schwere Jahre.«
Arthur machte ein finsteres Gesicht. »Gehen wir ins Arbeitszimmer.«
»Wenigstens haben wir jetzt ein bequemes Bett«, sagte Margaret.
»Und dafür den ganzen weiten Weg hin und zurück!«
»Ich bringe euch Tee.«
»Ich bringe euch Whiskey«, sagte Katherine.
Als Arthur fort war, fragte sie: »Und? Was fehlt dir?«
»Es ist das Herz. Angina pectoris und wahrscheinlich noch etwas Schlimmeres. Katherine ...« Margaret zog ihren Stuhl näher. »Ich möchte nicht auf einem Sofa dahinsiechen wie deine Mutter und werde es auch nicht. Sie wollte es genauso wenig, aber sie hatte keine Wahl. Sie musste sehen, wie du erwachsen wirst. Gott stehe uns bei. Ich habe mich heute den ganzen Tag so hilflos gefühlt, im Auto und dann im Krankenhaus. Am liebsten wäre ich auf den Hügel gestiegen, wie früher, als ich in deinem Alter war. Was hast du heute getan?«
»Ich habe mit Sam in Australien telefoniert, ich habe viel geweint, und ich habe den Spaziergang gemacht, den du gern gemacht hättest.«
»Was sagt man dazu? Morgen soll es schön werden.«
»Wir können auf den Hügel fahren und oben parken.«
»Wir können das verdammte Auto auch stehen lassen und zu Fuß gehen. Ich werde einen Picknickkorb packen.«
Am nächsten Morgen packten sie alle den Picknickkorb, und jeder tat hinein, was er
Weitere Kostenlose Bücher