Das Erwachen
oder bleiben, wo sie waren, bis sie irgendwann niedergerungen wurden und als Hundefutter endeten?
»Merkwürdig ist«, stieß Stort keuchend hervor, »dass sie nicht näher kommen ... nur so nahe, dass wir hier weiter in der Falle sitzen und ...«
Er schlug halbherzig nach einem zähnefletschenden Angreifer und lockerte dabei seinen Griff um den Knüppel. Prompt wurde ihm die Waffe entrissen. Sie verschwand zwischen den vielen Leibern der Hunde, die sich wütend darüber hermachten. Entsetzt beobachtete er, wie die Tiere das harte Holz in Stücke rissen und auf den Splittern herumkauten, als handele es sich um Fleisch.
»So wird es auch uns ergehen, wenn wir noch länger hierbleiben«, sagte Barklice.
»Wir können nur noch eins tun«, sagte Feld. »Losrennen und auf das Beste hoffen!«
»Abgemacht?«, rief Jack.
Barklice nickte. »Sie entscheiden, wann, Jack.«
»Trotzdem«, wandte Stort ein, der sich, da nun ohne Knüppel, in einen schmalen Spalt im Müll hinter ihnen hatte zwängen müssen, »sollten wir uns, bevor wir losrennen, fragen, worauf die Hunde eigentlich warten. Bei meinen Forschungen über die Familie der Hundartigen ist mir, so denke ich, der Nachweis gelungen, dass sie immer einen Anführer haben, ein Alpha-Männchen. Aber diese Biester haben keinen, und das gibt mir zu denken. Unter den Bochumer Hunden, so scheint es, herrscht Anarchie.«
Er hatte kaum ausgesprochen, da bemerkten sie hinten in der Meute eine Rangelei, die sich rasch zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen rivalisierenden Gruppen auswuchs.
»Unsere Chance könnte kommen, wenn sie weit genug abgelenkt sind«, sagte Jack. »Wartet auf mein Kommando!«
Aber noch war es nicht so weit. Auf beiden Seiten wurden sie nach wie vor von Hunden belauert. Jede kleine Bewegung wurde mit Zähnefletschen und Zuschnappen beantwortet. Derweil geriet die Rauferei vor ihnen zu einem ungleichen Kampf um jene Art von Führung, die laut Stort bei Hunden zu erwarten war.
Ein gedrungener, kräftiger Pit Bull Terrier, offensichtlich der Anführer eines besonders wilden Müllkippenrudels, kämpfte gegen ein größeres, breiteres Exemplar, das edles Labrador-Blut in den Adern hatte und eine konkurrierende Meute anführte. Aber dieser Hund, von intelligentem Aussehen und mit rotbraunem Fell, blutete aus der Flanke und war dadurch sichtlich geschwächt. Zudem musste er einen ebenfalls verletzten Hund beschützen, einen halben Welpen mit derselben Fellfarbe wie er.
Der stämmige Pit Bull Terrier duckte sich zum Sprung, fletschte die Zähne, kniff die kleinen bösen Augen zusammen und machte sich zum entscheidenden Angriff bereit. Der größere Hund stellte sich ihm tapfer entgegen, doch es war klar, dass er sich und den Welpen, der offensichtlich sein Junges war, nicht verteidigen konnte.
»Das Letzte«, sagte Barklice leise. Er deutete über die Hunde hinweg in die Dunkelheit, wo sich ein bemitleidenswertes Bild bot: Eine Hündin und drei weitere Welpen lagen dort auf der Erde, alle zerrissen und tot.
Das Ende im Kampf um die Vorherrschaft kam rasch. Der Bull Terrier schnellte nach vorn. Er packte den Welpen am Bein, bevor ihn sein Vater schützen konnte, und schleuderte ihn über seinen Kopf hinweg mitten unter seine Anhänger. Augenblicklich fielen sie über das quiekende Bündel her.
Jack sah ihre Chance gekommen. »Rennt!«
Unglücklicherweise blickte Bedwyn Stort ausgerechnet in diesem entscheidenden Augenblick nach hinten, zweifellos weil er sich fragte, ob sich dort nicht vielleicht doch ein Schlupfloch auftat. So rannte er, als plötzlich Jacks Befehl ertönte, los – in die falsche Richtung.
Die Lücke war tatsächlich eine Sackgasse ohne Ausgang. Immer tiefer rannte er in sie hinein und blieb schließlich stecken. Stort eilte wieder nach vorn, sah zu seinem Schrecken aber nur noch, wie der Letzte seiner Freunde, Barklice, um eine Ecke verschwand, verfolgtvon unzähligen Hunden. Jetzt war er ganz allein. Und was sah er sich gegenüber?
Einem Augenpaar, das ihn anstarrte.
Es gehörte dem besiegten Hund.
Sein letztes Junges war zerrissen worden, sein Weibchen und die anderen Jungen lagen tot dahinter. Eben noch Anführer, war er jetzt ein Ausgestoßener. Er war groß, mit breitem Schädel, riesigen Klauen und klaren, braunen Augen.
Beim Anblick des schlotternden Stort witterte er offensichtlich eine Chance, seine Schmach wettzumachen.
In seiner geschundenen Hundeseele entdeckte er einen letzten Rest Angriffslust und
Weitere Kostenlose Bücher