Das Erwachen
einschiffen, der zufällig vorbeikommt. An dieser Küste sind das nur Fyrd.«
»Verstanden.«
Slew war so schnell über Bord und auf dem hölzernen Steg, wie ein Schatten verschwindet, wenn das Licht erlischt.
Ein Besatzungsmitglied warf ihm seinen Rucksack hinunter.
Riff hielt seinen Knüppel in die Höhe.
»Ich kann Sie nicht sehen«, sagte er in die Dunkelheit neben der Bordwand.
»Werfen Sie«, antwortete Slew. »Er wird meine rechte Hand finden.«
Der Knüppel flog in hohem Bogen durch die Nacht, vom Schiff aufs Land, von der Rechten eines Hydden in die eines anderen.
Der Kutter legte langsam ab. Die vorübergehend erschlafften Segel flatterten im Wind, blähten sich mit einem Wusch! wieder, und der Bug schnitt durch die Wellen.
Borkum Riff blickte zurück.
Der Tag kam, Slew war verschwunden.
»Das ist vielleicht ein Teufelskerl«, sagte ein Besatzungsmitglied.
»Das ist die Zukunft von Hyddenwelt«, sagte Riff.Slew wandte sich nach Osten in Richtung seines Ziels Chelmsford, ein Sammelpunkt für Pilger, die von Harwich und kleineren Hafenstädten an der Ostküste nach Brum unterwegs waren. Von dort zogen die Pilger aus Sicherheitsgründen in Karawanen oder Gruppen weiter. Um nach St Albans, dem nächsten Etappenziel ihrer Reise, zu gelangen, mussten sie die gefährliche Grafschaft Hertfordshire durchqueren mit ihren finsteren Tälern, unübersichtlichen grünen Straßen, dichten Wäldern und gewundenen Hecken, die selbst den erfahrensten Reisenden in Hinterhalt und Tod lockten.
Slew packte seinen dunklen Mantel ein und hüllte sich in groben Barchent, wobei der Pilgeranhänger Beornamunds, das Zeichen einer bereits vollendeten Pilgerfahrt, gut sichtbar auf seinem Wams prangte. Außerdem färbte er sich die Haare schwarz.
Er blieb für sich, täuschte spirituelle Versunkenheit vor und gab auf Fragen nur knappe Antworten, indem er, durchaus wahrheitsgemäß, behauptete aus dem Thüringer Wald zu kommen. Er legte eine selbstbewusste Haltung an den Tag und trug seinen Knüppel entschlossen genug, um von den vielen Wegelagerern entlang der Straße nicht behelligt zu werden.
Er hielt Augen und Ohren offen, mied Pilgergruppen, die auf direktem Weg nach Brum wollten, und hielt sich stattdessen an Einzelgänger, die eher geistige Ziele verfolgten und ihren Mut und Glauben auf die Probe zu stellen suchten, indem sie allein reisten.
»Wohin des Wegs?«, wurde er immer wieder gefragt.
»Nach Brum.«
»Allein?«
»So scheint es.«
»Gerüchte gehen um, mein Freund.«
»Gute und schlechte. Tauschen wir sie bei einem Met aus.«
Bei solchen Begegnungen erfuhr Slew allerlei. Natürlich hörte er auch von dem einen Gerücht, das wichtiger war als alle anderen, nämlich dass der Stein des Frühlings gefunden worden sei.
»Ist es denn wahr?«, fragte Slew einen Einzelgänger, einen Mönch in brauner Kutte aus den Niederlanden.
»Ich habe es gestern von einem gehört, der gerade aus Brum zurückkam. Der Stein wurde auf dem Waseley Hill gefunden.«
»Das war zu erwarten. Von wem?«
Der Alleinreisende zuckte mit den Schultern. »Von einem, der Glück hatte oder vom Spiegel gesegnet war.«
»Hoffentlich bekommen wir ihn zu sehen«, sagte Slew.
»Du vor mir, Bruder, denn ich mache einen Umweg zu einem heiligen Brunnen ...«
So sammelte Slew Informationen, erfuhr Näheres über die verschiedenen Gruppen, gab vor, sich vor dem großen Treck nach Brum ausruhen zu wollen. Bis er zwei Tage später endlich fand, was er suchte: vier Pilger, die keine Junggesellen waren, denn sie hatten zwei dralle Töchter dabei, sodass sie insgesamt eine sechsköpfige Gruppe bildeten.
Slew hielt Abstand, doch des Nachts, am Rand des Lagerfeuers, belauschte er ihre Gespräche. Sie boten ihm eine perfekte Tarnung und zudem verlockende Aussichten. Am nächsten Tag brach er beim ersten Dämmerschein sein Lager ab, noch vor dem Einzelgänger, mit dem er am ersten Tag gesprochen hatte und dessen Reiseweg er nun kannte. Slew suchte sich eine einsame Stelle am Weg und legte sich auf die Lauer.
Eine angenehme Zeit für Slew.
Der Sommer in Englalond war feuchter, milder und schöner als jeder, den er in seinem eigenen Land erlebt hatte. Er dachte nach. Er aß ein wenig und trank Wasser aus einem Bach, und dann fing er in Schlingen, die er gleich nach seiner Ankunft ausgelegt hatte, zwei Kaninchen und tötete sie.
Einem zog er das Fell ab, nahm es aus, wusch es und bereitete es für einen Eintopf vor. Das andere ließ er vorläufig so,
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