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Das Eulenhaus

Das Eulenhaus

Titel: Das Eulenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ließ sie aufblicken. Gerda hatte sich ausnahmsweise einmal beeilt.
    Aber in der Tür stand Hercule Poirot.
    »Die Haustür war offen«, teilte er mit, während er auf den Tisch zukam, »deshalb habe ich mir die Freiheit genommen, einzutreten.«
    »Sie!«, sagte Henrietta. »Wie kommen Sie denn hierher?«
    »Ich wusste natürlich, wohin Sie fahren, als Sie so plötzlich im ›Eulenhaus‹ aufbrachen. Also habe ich einen schnellen Wagen gemietet und bin direkt hierher gefahren.«
    »Ah ja«, seufzte Henrietta. »Das sieht Ihnen ähnlich.«
    »Sie sollten den Tee nicht trinken«, sagte Poirot, nahm ihr die Tasse weg und stellte sie zurück aufs Tablett. »Tee, bei dem das Wasser nicht richtig gekocht hat, soll man nicht trinken.«
    »Ist so eine Bagatelle wie kochendes Wasser wirklich von Bedeutung?«
    Poirot antwortete sanft: »Alles ist von Bedeutung.«
    Hinter ihm war ein Geräusch zu hören. Gerda kam zurück mit einem Handarbeitsbeutel in der Hand. Sie sah von Poirots Gesicht zu Henriettas Gesicht.
    Sofort sagte Henrietta: »Ich fürchte, ich bin eine ziemlich verdächtige Figur, Gerda. Monsieur Poirot scheint mich beschattet zu haben. Er glaubt nämlich, dass ich John getötet habe – aber er kann’s nicht beweisen.« Sie sprach langsam und wohl gesetzt, damit Gerda sich nicht verraten konnte.
    Gerda sagte zerstreut: »Das tut mir leid. Möchten Sie auch einen Tee, Monsieur Poirot?«
    »Nein, vielen Dank, Madame.«
    Gerda setzte sich hinter das Tablett und fing an, sich zu entschuldigen. »Es tut mir ja so leid, dass sonst niemand Zuhause ist. Meine Schwester ist mit den Kindern picknicken gefahren. Und ich habe mich nicht sehr gut gefühlt, deshalb haben sie mich zuhause gelassen.«
    »Das tut mir leid, Madame.«
    Gerda nahm eine Tasse und trank. »Das ist ja alles so beängstigend. Alles und jedes macht mir Angst. John hat doch immer für alles gesorgt, und jetzt ist John nicht mehr da…« Ihre Stimme wurde dünner. »Jetzt ist John nicht mehr da.«
    Sie blickte von einem zum anderen, Mitleid erregend und wie betäubt.
    »Ich weiß gar nicht, was ich machen soll ohne John. John hat doch auf mich aufgepasst. Er hat für mich gesorgt. Und jetzt ist er weg, alles ist weg. Und die Kinder – die stellen mir immer Fragen, aber ich kann sie nicht richtig beantworten. Ich weiß gar nicht, was ich Terry sagen soll. Er fragt immer wieder: ›Warum ist Vater umgebracht worden?‹ Natürlich findet er das eines Tages auch heraus. Terry muss immer alles wissen. Aber was mich so verwirrt, ist, dass er immer nur fragt warum, nie wer!«
    Sie sank im Stuhl nach hinten. Ihre Lippen waren blau. Sie sagte fast starr: »Ich fühle – mich nicht sehr wohl – wenn John – John – «
    Poirot ging um den Tisch herum zu ihr und schob sie seitlich zurück auf den Stuhl. Ihr Kopf kippte vornüber. Er beugte sich hinunter und zog ihr ein Augenlid hoch. Dann richtete er sich wieder auf. »Ein leichter und vergleichsweise schmerzloser Tod.«
    Henrietta starrte ihn an. »Das Herz? Nein!« Schlagartig wurde ihr klar. »Da war etwas im Tee, das sie selbst hineingetan hatte. War das ihr Ausweg?«
    Poirot schüttelte sachte den Kopf. »O nein, das war für Sie gedacht. Es war in Ihrer Teetasse.«
    »Für mich?«, Henrietta klang ungläubig. »Aber ich habe doch versucht, ihr zu helfen.«
    »Das hatte keine Bedeutung. Haben Sie noch nie einen Hund gesehen, der in einer Falle klemmt? Er fletscht die Zähne gegen jeden, der ihn anfassen will. Gerda hat nur wahrgenommen, dass Sie ihr Geheimnis kennen, also sollten Sie auch sterben.«
    »Und Sie«, sagte Henrietta langsam. »Sie haben dafür gesorgt, dass ich meine Tasse aufs Tablett zurückstelle – Sie haben – Sie hatten sie ihr zugedacht – «
    Poirot unterbrach sie ruhig. »Nein, nein Mademoiselle. Ich wusste nicht, ob in Ihrer Tasse irgendetwas ist. Ich wusste nur, es könnte etwas darin sein. Und wenn die Tasse auch auf dem Tablett stehen würde, wäre die Chance, dass sie aus der einen oder der anderen trinkt, gleich groß – falls Sie es Chance nennen wollen. Ich sage mir, so ein Ende ist doch gnädig. Für sie selbst – und für die beiden unschuldigen Kinder.«
    Er sah Henrietta an und fragte sanft: »Sie sind sehr müde, nicht wahr?«
    Sie nickte. »Wann haben Sie es geahnt?«, fragte sie.
    »Ich weiß es nicht genau. Das Ganze war inszeniert, das hatte ich von Anfang an im Gefühl. Aber mir ist lange nicht klar geworden, dass Gerda Christow es inszeniert hatte – dass sie so

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