Das Eulenhaus
mein Schatz, ich liebe dich so – verlass mich nie wieder.«
Sie beugte sich zu ihm hinunter, und er fühlte die Wärme ihrer Lippen auf seinen, fühlte, wie ihre Liebe ihn einhüllte und beschirmte, und das Glück erblühte in der kalten Wüste, in der er so lange gelebt hatte.
Plötzlich sagte Midge zwischen Lachen und Beben: »Guck mal, Edward, da kommt eine Küchenschabe rausgekrabbelt und guckt uns an. Ist das nicht eine nette Küchenschabe? Ich hätte nie gedacht, dass ich eine Küchenschabe so gern haben könnte!«
Und verträumt fuhr sie fort: »Das Leben ist doch eigenartig. Da sitzen wir hier auf dem Boden in einer Küche, die immer noch nach Gas riecht, zwischen den Küchenschaben und haben das Gefühl, wir sind im Himmel.«
Edward murmelt verträumt: »Ich könnte hier ewig bleiben.«
»Wir sollten trotzdem lieber aufstehen und noch ein bisschen schlafen. Es ist vier Uhr. Wie um Himmels willen sollen wir Lucy die kaputte Fensterscheibe erklären?« Zum Glück, fiel Midge dann ein, konnte man Lucy alles Mögliche höchst problemlos erklären!
In typischer Lucy-Manier platzte Midge morgens um sechs bei ihr ins Schlafzimmer und schilderte sachlich die Tatsachen.
»Edward ist nach unten gegangen und hat den Kopf in den Gasofen gesteckt, mitten in der Nacht«, sagte sie, »zum Glück hatte ich ihn gehört und bin hinterhergegangen. Ich habe das Fenster eingeschlagen, weil ich es nicht schnell genug aufbekommen habe.«
Lucy reagierte wunderbar, wie Midge zugeben musste. Sie lächelte liebenswürdig und schien überhaupt nicht überrascht. »Liebe Midge – du bist immer so praktisch, bei dir findet Edward ganz bestimmt immer Trost und Hilfe.«
Als Midge wieder weg war, blieb Lady Angkatell eine Weile liegen und dachte nach. Dann stand sie auf und ging zu ihrem Mann ins Schlafzimmer, das ausnahmsweise nicht abgeschlossen war. »Henry.«
»Lucy, meine Liebe! Vor dem ersten Hahnenschrei.«
»Trotzdem, hör mal zu, Henry, das ist wirklich wichtig. Wir müssen zum Kochen Strom legen lassen und diesen Gasofen abschaffen.«
»Warum, der geht doch sehr gut, oder nicht?«
»O ja, Liebes. Aber so etwas bringt Leute auf komische Gedanken, und es ist vielleicht nicht jeder so praktisch wie die liebe Midge.« Und damit huschte sie elfengleich davon.
Sir Henry drehte sich grunzend um, wachte aber gleich ruckartig wieder auf, kurz bevor er weggedöst wäre. »Habe ich das geträumt?«, murmelte er. »Oder war Lucy eben hier und hat von Gasöfen erzählt?«
Aber Lady Angkatell war schon wieder auf dem Flur. Sie ging ins Badezimmer und setzte einen Kessel auf den Gaskocher. Die Leute hatten doch manchmal gern eine morgendliche Tasse Tee. Beflügelt von so viel Selbstwertgefühl ging sie wieder ins Bett und sank in die Kissen, freudig zufrieden mit dem Leben und sich selbst.
Edward und Midge in »Ainswick«, der Termin vor dem Untersuchungsgericht erledigt… Sie würde noch einmal zu Monsieur Poirot gehen und mit ihm reden. Netter kleiner Mann…
Plötzlich schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf. Sie setzte sich im Bett auf. »Ich möchte doch mal wissen«, überlegte sie, »ob sie daran gedacht hat.«
Sie stand wieder auf, lief den Flur entlang und fing wie üblich weit vor Henriettas Tür und außer Hörweite mit dem Gespräch an.»– und dann ist mir plötzlich eingefallen, meine Liebe, dass du das eventuell übersehen hast.«
Henrietta murmelte verschlafen: »Um Himmels willen, Lucy, die Vögel schlafen ja noch!«
»Ach ja, weiß ich, Liebes, es ist wirklich noch recht früh, aber es scheint ja doch eine sehr unruhige Nacht gewesen zu sein – Edward und der Gasofen und Midge und das Küchenfenster – und was sage ich bloß Monsieur Poirot und so weiter – «
»Lucy, entschuldige, aber was du sagst, klingt komplett wie Kauderwelsch. Hat das nicht Zeit?«
»Es geht doch nur um den Halfter, Liebes. Ich dachte, na, vielleicht hast du ja nicht an den Halfter gedacht.«
»Halfter?« Henrietta setzte sich im Bett auf, plötzlich hellwach. »Was ist denn jetzt mit einem Halfter?«
»Der Revolver aus Henrys Sammlung war doch in einem Halfter. Und der Halfter ist auch weg. Da kommt natürlich vielleicht kein Mensch drauf – andererseits, vielleicht ja doch – «
Henrietta schwang sich aus dem Bett. »Man vergisst ja immer irgendwas«, sagte sie, »so heißt das doch! Und es stimmt!«
Lady Angkatell ging zurück in ihr Schlafzimmer, legte sich zu Bett und schlief sofort ein.
Der Kessel auf dem
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