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Das Eulentor

Das Eulentor

Titel: Das Eulentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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mir, sondern dieser jungen Dame, die mich während unserer Schiffsreise davon überzeugen konnte, daß – falls es einen jungen Mann gibt, der über den Mut und das Engagement verfügt, das Geheimnis des Schachts zu ergründen – Sie der richtige wären.«
    Ich war sprachlos.
    Kathi Bloom stand lächelnd hinter Lindemann.
    »Aber!« Sogleich wurde Lindemanns Miene wieder ernst. »Ich möchte über jeden Ihrer Schritte informiert werden – Erfolge wie Rückschläge. Ich erwarte jede zweite Woche einen ausführlichen Bericht von Ihnen, und ich verlange Fortschritte und Ergebnisse. Können Sie all das zu unserer Zufriedenheit liefern, wird die Universität weiterhin in dieses Projekt investieren.«
    Er streifte sich den Handschuh ab und reichte mir die Hand. Die Schlacht war gewonnen!
    Nachdem er mit Kapitän Anderson, dem Schiffsarzt und den Matrosen den Raum verlassen hatte, stand ich mit Kathi Bloom allein im Zimmer. Zum ersten Mal seit Stunden atmete ich erleichtert auf.
    Ohne länger zu warten, schloß ich sie in die Arme. Ich roch ihren Atem, den Duft ihrer Haut und das Parfum. Ihr Gesicht, unmittelbar vor mir, war so verlockend, so verführerisch, daß ich mich immer noch in einem Traum glaubte.
    »Du erdrückst mich«, sagte sie lächelnd, ließ es aber geschehen, ohne sich zu wehren.
    »Du hast die Strapazen der weiten Reise auf dich genommen, um mich zu sehen?« fragte ich.
    »Nein, ich wollte die Insel sehen, du Dummerchen.« Sie betrachtete mich mit ihren großen braunen Augen, denen ich keinen Wunsch der Welt abschlagen konnte. »Du hast dir einen dichten Bart und Koteletten wachsen lassen.«
    Plötzlich schlug mein Herz wie wild. Wie mußte ich aussehen? Unrasiert, ungekämmt und mit schmutzigen Fingernägeln. Hätte ich gewußt, daß sie auf die Insel kommen würde, hätte ich mich entsprechend herausgeputzt.
    »Aber der Bart und die langen Haare stehen dir gut. Das läßt dich verwegen aussehen, mein Held.« Sie kniff die Augen zusammen und küßte mich auf die Nasenspitze.
    »Ich bin kein Held«, gab ich zu. »Du allein hast dieses Projekt gerettet.«
    »Ist es nicht die Aufgabe einer Frau, ihren Geliebten zu unterstützen?«
    Ich sagte nichts darauf, sondern küßte sie, wie ich sie noch nie geküßt hatte.
    Als wir nach draußen zu den anderen gingen, löste sie ihre Hand aus meinem Arm.
    »Wie lange wirst du bleiben?« fragte ich.
    Statt eine Antwort zu geben, blickte sie zu Kapitän Anderson, der eine Zigarre rauchte und soeben die Nase in den Wind reckte.
    »Du fährst noch heute abend, nicht wahr?« stellte ich fest. Natürlich würde sie mit Lindemann wieder nach Wien zurückkehren. Durfte ich mehr erwarten? Die Reise in den Norden dauerte Wochen, und ich fragte mich ohnehin, weshalb sie so lange den Wiener Bühnen fernbleiben konnte.
    Als lese sie die Frage in meinen Augen, lächelte sie mich spitzbübisch an. »Offiziell ist das Burgtheater wegen der Winterpause geschlossen – aber ich denke, hier hast du sowieso keine Möglichkeit, es hinauszuposaunen.« Sie begann zu flüstern. »In Wahrheit wird es renoviert, weil ein Bühnenbildner durch den Holzboden gekracht ist. Bei dieser Gelegenheit wird auch der Zuschauerbereich umgebaut, um endlich die Akustikprobleme zu beheben. Bis zur Frühjahrsvorstellung haben wir keinen Raum für die Proben, also wurden wir beurlaubt. Während der Heimfahrt muß ich meine neue Rolle einstudieren.« Bedeutsam hob sie die Augenbrauen.
    »Welches Stück?«
    »Verrate ich nicht – laß dich überraschen.« Sie gab mir einen Kuß auf die Nase.
    Während die Isländer die Ladung vollständig löschten und die Matrosen Enten und Lemminge jagten, verbrachte ich die verbleibende Zeit mit Kathi. Als wir entlang der Steilklippe wanderten, war die Teufelsebene fromm wie ein Lamm. Wir beobachteten zahlreiche Möwen und Seeschwalben, die vergnügt über die Wellen zischten und den Beginn des Frühlings verkündeten. Schließlich schlenderten wir über die Serpentinen zur Bucht hinunter. Am Ufer aßen wir mit der Mannschaft eine heiße Brühe. Indessen befand sich Lindemann noch in der Station, um die Arbeit der Isländer zu inspizieren. Schließlich kam auch er in die Bucht. Das war das Zeichen zum Aufbruch! Während er die gelöschte Ladung kontrollierte und die Ausladeprotokolle unterzeichnete, setzten die Matrosen die Segel. Doc Travis überreichte mir noch ein Paket mit Büchern sowie einen Stapel Briefe, danach nahm ich Abschied von Kathi Bloom und den

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