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Das Eulentor

Das Eulentor

Titel: Das Eulentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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es stört mich nicht, wenn du die ganze Zeit im Schacht verbringst, um und an deiner Steigleiter zu arbeiten, aber …«
    »Unserer Steigleiter!« korrigierte mich Hansen.
    »Von mir aus, an unserer Steigleiter. Aber du darfst mir keine Männer abziehen und für diese Arbeiten einspannen. Jetzt noch nicht! Die Zeit, in den Schacht zu steigen, wird kommen. Doch zuvor muß die Station stehen, verstehst du? Die Station muß stehen!«
    »Aber das tut sie doch!«
    »Nein!« entfuhr es mir. »So vieles fehlt noch. Und wir müssen uns beeilen, wir haben nur noch zwei Wochen. Oskar Lindemann hat sich mit dem nächsten Schiff angekündigt. Was soll ich ihm denn zeigen? Ein paar Rohbauten, halb fertige Hütten?«
    »Ja, ich weiß, dein Financier.«
    »Unser Financier!« brüllte ich. Die Isländer stoppten beim Ausladen und sahen zu uns herüber. In dem Moment bereute ich, daß ich zuließ, daß meine Nerven mit mir durchgingen. Ich atmete tief durch, um mit ruhiger Stimme fortzufahren: »Lindemann wird sich jeden Winkel vor Ort ansehen wollen. Falls alles steht, ihm gefällt, was er sieht, und wir sein Vertrauen gewonnen haben, ist Schluß mit der Steigleiter. Dann erhalten wir Geld für kräftige Seilwinden und Gondeln.«
    »Und falls nicht?«
    »Es muß klappen! Klettere von mir aus in den Schacht und sichere dich nur mit einem gewöhnlichen Seil, wenn du nicht anders willst – es ist dein Leben – aber laß mir die Männer! Nur für die nächsten zwei Wochen. Nach Lindemanns Besuch beginnen wir gemeinsam mit dem Abstieg.«
    »Unverzüglich?«
    »Mein Wort.«
    Hansen nickte. Ohne weiteren Kommentar wandte er sich ab und humpelte auf den Krücken zurück in die Hütte, um wieder in die Finsternis des Schachts abzutauchen.
    Ich versuchte, nicht länger über dieses Gespräch nachzudenken, sondern lief zu den Isländern, um ihnen beim Ausladen zu helfen.

 
SIEBTES KAPITEL
     
     
    A uf den Tag zwei Wochen später übersiedelten wir im Morgengrauen in die Hütten. Den ganzen Vormittag wurde ich von einer inneren Unruhe erfaßt, da uns ein bedeutsamer Besuch bevorstand.
    Pünktlich um die Mittagszeit ankerte Kapitän Andersons Schiff in der Bucht. Während die Männer frischen Proviant und wissenschaftliches Material vom Bauch des Schiffes auf die Schlitten luden, erreichte Anderson mit dem erwarteten Gast das Plateau.
    Oskar Lindemann war von imposanter Statur, gut einen Kopf größer als ich und ein Mann, der seinem Ruf alle Ehre machte. Besser, ich unterschätzte ihn nicht. Mit knapp sechzig Jahren war er der älteste Ingenieur der Technischen Fakultät in Wien. Lindemann trug eine Brille, den grauen Schnauzbart an den Enden aufgezwirbelt und hatte sich das Haar mit Pomade geglättet. Wie unpassend, angesichts der Kälte. Noch dazu war er ungünstig gekleidet, mit einem zweireihigen Anzug, einer Melone, dünnen Lederhandschuhen und noblen Lackstiefeln, an denen noch der Schnee und verklumpte Matsch von seinem Aufstieg klebte. Dennoch repräsentierte er mit diesem Auftritt die Universität, wodurch er mir zu verstehen gab, wie ich mich ihm gegenüber verhalten mußte. Immerhin hatte das Rektorat der Hochschule nicht nur meine Schulden gegenüber dem Verlagshaus wegen der mißglückten Expedition übernommen, sondern auch den bisherigen Bau der Station finanziert. In zahlreichen Briefen und einem persönlichen Gespräch war es mir gelungen, das Interesse des Rektors für diesen mysteriösen Schacht zu wecken. Ich hatte revolutionäre wissenschaftliche Erkenntnisse prophezeit. Jetzt ging es darum, die ersten Erfolge vorzuweisen und zu belegen, daß die öffentlichen Gelder der Universität nicht verschwendet wurden – andernfalls würden keine weiteren Gulden mehr fließen.
    Ich wollte etwas sagen, verstummte jedoch, als ich hinter Lindemann, Kapitän Anderson, Doc Travis und einigen Matrosen – einen Damenhut erblickte. Mein Herz begann zu rasen. Aufgeregt trat ich einen Schritt zur Seite – und da stand sie, unauffällig im Hintergrund, ohne ein Wort zu sagen. Obwohl sie in einem dicken Pelzmantel steckte, strahlte Kathi Bloom mit ihren feinen Gesichtszügen und den fröhlichen Augen so viel Glanz und Schick aus, daß sie inmitten dieser Schneewüste wie eine wunderbare Erscheinung wirkte. Ich wollte zu ihr eilen, sie in die Arme schließen, doch Oskar Lindemann unterbrach mich.
    »Ein imposantes Basislager«, murrte der Ingenieur, als er auf den Eingang zuschritt.
    »Verzeihen Sie, aber was Sie hier sehen, ist schon

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