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Das Eulentor

Das Eulentor

Titel: Das Eulentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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stürzen.
    Da spürte ich Brehms festen Griff unter den Achseln.
    »Ich muß nach oben«, preßte ich hervor. Meine Lider flatterten. Brehms Gesicht verschmolz vor meinen Augen mit der Dunkelheit.
    »Nur noch zehn Minuten, dann ist unsere Frist abgelaufen, und die Männer setzen den Generator in Bewegung.« Brehm führte mich zu der Kiste, auf der ich kraftlos niedersank.
    Ich schloß die Augen und versuchte ruhig zu atmen, während ich wartete. Eine Viertelstunde später ging endlich ein Ruck durch die Plattform. Der Käfig begann zu schaukeln, Sekunden später setzte er sich in Bewegung. Als es bergauf ging, ließ der Druck auf meiner Brust nach.
     
    *
     
    Brehm, Hansen und ich saßen am Ufer des Fjords um ein Lagerfeuer, das Hansen mit getrocknetem Treibholz entfacht hatte. Wir tranken heißen Kaffee aus einer Thermoskanne und aßen Thunfischbrote. Mittlerweile schrieben wir die dritte Juliwoche. Wie immer um die Abendstunden war die Walroßbucht in ein dunkelviolettes Zwielicht getaucht, das bis zum Morgen anhalten würde. Dazu kam, daß vereinzelt Wolken über das Gebirge zogen, die mächtige Schatten auf das Wasser und die Felswände warfen.
    Ich holte Kathi Blooms letzten Brief aus der Jackentasche, um ihn im Schein des Feuers ein weiteres Mal zu lesen.
    »Was gibt es Neues aus Wien?« Hansen stocherte mit einem Ast in der Glut, daß die Funken aufstoben.
    »Das Burgtheater spielt seit Mai Nestroys Einen Jux will er sich machen. Kathi ist in der Rolle der Marie zu sehen.« In Gedanken sah ich sie über die Bühne fegen und die alten Männer zum Narren halten.
    »Sie fehlt dir, nicht wahr?« brummte Hansen.
    Ich starrte über das Wasser. »Mehr als alles andere …«
    Brehm bekam von unserem Gespräch nichts mit. Er war völlig in Gedanken versunken. Er mußte noch Dutzende Auswertungen in seinem Labor durchführen, endlose Protokolle schreiben, und erst danach lagen auf Grund der Messungen und Gesteinsproben die ersten konkreten Ergebnisse vor. Mit etwas Glück erhielten wir einen Hinweis darauf, worum es sich bei dem Bauwerk handeln könnte. In meinen Ohren klang der Begriff Bauwerk nach wie vor ungewohnt, doch seit Tagen bezeichnete Brehm den Schacht so, als sei das Gebilde von jemandem errichtet worden. Genaugenommen ließ er keinen Zweifel daran. Hansen und ich hatten selbst schon einige Male über den exakt gleichbleibenden Durchmesser des Schachts, das harte Material und die bis auf die Risse glatt geschliffenen Innenwände sinniert, die lediglich von einer pechähnlichen Schicht überzogen waren – doch den Schacht als Bauwerk zu bezeichnen, wäre selbst uns nicht in den Sinn gekommen. Aber anscheinend gab es für Brehm keine andere Erklärung. Das Gehirn dieses Mannes arbeitete vollkommen rational, ja man konnte förmlich sehen, wie sich die Zahnräder in seinem Kopf bewegten, auf der Suche nach einer brauchbaren Lösung. Zwischenzeitlich war mir klargeworden, daß die Berliner Motoren-Werke ihren besten Mann für dieses Projekt nach Spitzbergen geschickt hatten.
    Wie hypnotisiert starrte Brehm ins Feuer. »Morgen gehe ich noch einmal hinunter …«
    Verwundert betrachteten wir den Ingenieur. Er knöpfte sich doch tatsächlich Mantel und Weste auf und legte seine Krawatte ab, die während seiner ersten Tage auf der Insel noch unverzichtbar für ihn gewesen war. Auch sah er mittlerweile großzügig darüber hinweg, wenn sich Hansen trotz seines Verbots eine Zigarre ansteckte.
    »Runtersteigen, um was zu tun?« Der Walfänger hatte aufgehört, mit dem Ast in der Glut zu stochern.
    »Bisher haben wir uns lediglich auf die Tiefe konzentriert, die zugegebenermaßen unglaublich ist.« Brehms Augenbrauen hoben sich für einen Moment. »Aber zur Zeit kommen wir in diese Richtung nicht weiter. Statt dessen müssen wir herausfinden, wie der Schacht entstanden ist, wer ihn gebaut hat, was sein Zweck und seine Bestimmung sind. Gibt es Hinweise auf Konstruktionspläne? Verbergen sich Nachrichten oder Botschaften in der Felswand? Möglicherweise offenbaren sich Zeichen in seinem Inneren, die es zu entschlüsseln gilt.« Je länger er sprach, desto leiser wurde er. »Sobald wir sein Rätsel gelöst haben, kümmern wir uns um die Tiefe. Möglicherweise reicht dieses Bauwerk unvorstellbar weit in die Erdkruste hinein. Was für ein Gedanke!«
    Hansen und ich warfen uns einen kurzen Blick zu. Wir lauschten gespannt, obwohl wir bereits ahnten, daß Brehm Selbstgespräche führte.
    »Je mehr wir in Erfahrung bringen,

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