Das Evangelium nach Satan
setzt die Spritze. Die Venen sind so verhärtet, dass er erst beim dritten Versuch eine trifft. Er injiziert die Hälfte des Spritzeninhalts. Im selben Augenblick beginnt Maria wie irre zu schreien und um sich zu schlagen, als wehre sie sich gegen eine unsichtbare Macht.
Nachdem die Seelenräuber das Feuer verteilt und in der Glut nach den Resten des Evangeliums gestochert haben, schleppen sie die noch lebenden Nonnen ins Refektorium, um sie dort auf den Tischen festzubinden. Mutter Gabriella fesseln sie an ihren Stuhl, damit ihr nichts von dem Schauspiel entgeht, dann schänden sie die Nonnen mit glimmenden Holzstücken und versengen ihre Haut mit weißglühenden Klingen. Da sie damit nichts erreichen, blenden sie sie und brechen ihnen mit Zangen die Finger. Anschließend zerschlagen sie ihnen mit Hammerschlägen die Zehen und treiben ihnen lange rostige Nägel durch Arme und Beine.
»Werden Sie wach, ich flehe Sie an!«
Die meisten Nonnen sind den Qualen erlegen. Die anderen haben darüber den Verstand verloren und brüllen so laut, dass die Seelenräuber ihnen die Kehle durchschneiden, um sie zum Schweigen zu bringen. Anschließend binden sie auch Mutter Gabriella auf einem Tisch im Refektorium fest und machen sich daran, in anderen Teilen des Klosters zu suchen. Außer dem Knistern der Kerzenflammen hört man nur noch das Rascheln, mit dem die Ratten durch die Dunkelheit eilen, um sich an den Blutlachen gütlich zu tun.
Die in Mutter Gabriellas Körper eingesperrte Maria leidet sichtlich. Die alte Nonne versucht die Luft anzuhalten, um schneller zu sterben. Es gelingt ihr nicht. Dann zerrt sie an ihren Fesseln und merkt dabei, dass sich ein nachlässig geschlungener Knoten löst. Es gelingt ihr, einen ihrer mit Blut bedeckten Arme daraus zu befreien. Sie beißt die Zähne zusammen, um nicht vor Schmerzen zu schreien und löst mit zitternden Fingern den Knoten am anderen Arm. Nach einigen Minuten lässt sie sich vom Tisch gleiten, setzt die verstümmelten Füße auf die Steinplatten des Refektoriums und schleppt sich durch eine Tür in einen langen Gang. Nach rund hundert Schritt bleibt sie vor einem riesigen Wandteppich stehen, hebt ihn an und betastet die Wand, auf der eine Blutspur zurückbleibt. Ein Knacken ertönt, die Tür zu einem Geheimgang öffnet sich. Als sie ihn betreten hat, schließt sich die Tür hinter ihr.
»Maria, hören Sie mich?«
Zwischen Felswänden führt eine steinerne Wendeltreppe abwärts. Mutter Gabriella hält einen Augenblick inne und lauscht auf die Stimmen der Seelenräuber, die von fern zu ihr dringen. Sie haben in einem der Kamine verkohlte Knochen entdeckt. Es wird Stunden dauern, bis sie alle Regale durchsucht haben und merken, dass das Evangelium nicht da ist. Dann werden sie ins Refektorium zurückkehren, um ihre letzte Gefangene weiter zu foltern.
Die alte Oberin setzt ihren Weg fort. Mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht wankt Maria gemeinsam mit ihr durch die Finsternis, bei jedem Schritt bemüht, nicht laut zu schreien.
Unten an der Treppe zwängt sich die alte Nonne durch einen schmalen Gang zur Abfallgrube, die sie fieberhaft durchwühlt, bis sich ihre Hände um die Tuchhülle und den Lederbeutel schließen. Dann schiebt sie sich rückwärts durch die schmale Öffnung bis zu dem Gang, der sacht abwärts bis ins Tal führt. In diesem Augenblick spürt Maria, wie sich ihr Geist von der anderen löst und die Schmerzen, die ihren Körper peinigen, allmählich nachlassen. Sie bleibt allein zurück und sieht der Alten nach, die hinkend dem Ende des Gangs entgegenstrebt. Sie fährt zusammen. Eine Stimme ruft sie von fernher in der Dunkelheit: »Wachen Sie doch auf, um Gottes Willen!«
Inzwischen hat das Gegenmittel dafür gesorgt, dass sich ihr Körper vor Carzos Augen nach und nach wieder verjüngt. Ihre Gesichtshaut strafft sich, ihre Haare nehmen ihre vorige Farbe an. Dann sieht der Priester, wie sich ihre Brust erneut rundet, während sich Maria aufrichtet und nach Luft ringt wie eine Ertrinkende. Herr im Himmel, wenn sie mir nur nicht erstickt …
Mit aller Kraft biegt er ihren Oberkörper nach vorn und drückt immer wieder auf ihren Rücken, um sie zum Atmen zu zwingen. Ein Aufstoßen. Während sich Marias Brust hebt, stößt sie ein langes Entsetzensgeheul aus.
12
Im Geheimarchiv des Vatikans angekommen, zieht Valentina ihre hochhackigen Schuhe mit den Pfennigabsätzen aus, um keine Spuren zu zerstören, und genießt einen Augenblick das angenehme Gefühl des
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