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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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Gewebe, das nach Nässe und Holzfeuer riecht.
    »Eine solche Mission konnte wenige Tage, aber auch mehrere Wochen dauern, und es kam nicht selten vor, dass ein Inquisitor von den Mitgliedern einer Kongregation, zu der er sich Zugang verschafft hat, umgebracht wurde, wenn man ihm auf die Schliche gekommen war. Meist haben die Mörder den Leichnam zerstückelt und die Überreste weiträumig verteilt. Auf diese Weise hofften sie sich ihrer gerechten Strafe entziehen zu können, wenn bald darauf ein weiterer Inquisitor mit Wagen und Eskorte bei ihnen eintraf. Allerdings war nicht allgemein bekannt, dass ein Inquisitor, der sich eingeschlichen hatte, annehmen musste, sein Leben sei in Gefahr, ebenso dass er, wenn er eine wichtige Entdeckung gemacht hatte, am Ausgang des Klosters oder am zwölften Pfeiler des Kreuzgangs Botschaften in den Stein ritzte. Dabei bediente er sich eines Codes, den ausschließlich andere Angehörige dieser sonderbaren Polizei Gottes entschlüsseln konnten.«
    Um Maria herum weitet sich die neue Welt, in die sie eingedrungen ist. Sie nimmt weitere Gerüche wahr. Manche sind angenehm und äußerst intensiv. Dazu gehören heiße Steine und nasses Gras, Pilze, Minze und Nadelbäume. An jenem Tag hat es geregnet, und die Erde, die sich voll Wasser saugen durfte, gibt alle Düfte von sich, die in ihr geschlummert und auf eine solche Gelegenheit gewartet hatten. Maria lauscht angestrengt, um Carzo zu verstehen, dessen Stimme über dem Wind kaum hörbar ist: »Zu diesem Zweck führte jeder Inquisitor ein Etui mit fünfundzwanzig Hammerköpfen bei sich, deren Köpfe die Gestalt von Buchstaben des Alphabets hatten, sodass er seine Botschaft unmittelbar in den Stein schlagen konnte. Der fünfundzwanzigste Hammerkopf diente als Signatur; mit ihm schlug er sein Wappen ein. Wir wissen, dass auch die Weltfernen Schwestern wegen der streng geheimen Natur ihres Ordens das Recht besaßen, sich im Fall einer Gefahr dieses Verfahrens zu bedienen. Da die Steine des ehemaligen Klosters Unserer Lieben Frau am Matterhorn im Laufe der Jahrhunderte unter dem Einfluss von Wind und Kälte zerfallen sind, müssen Sie in erster Linie nach den geheimen Zeichen suchen, die Mutter Gabriella vor ihrer Flucht hinterlassen haben dürfte. Aber auch auf eine Botschaft Landegaards sollten Sie achten, mit der er denen, die ihm folgten, angezeigt hat, welchen Weg er genommen hatte. Vergessen Sie auch nicht, dass die Zeit unser größter Feind ist und Sie unbedingt zurückkehren müssen, bevor Landegaard das Kloster verlässt …«
    Dann Stille. Wind rauscht leise. Tropfen fallen von den Bäumen. In der Ferne donnert es. Mit stampfenden Hufen erklimmen die Pferde widerwillig die Steigung. Maria nimmt neue Empfindungen wahr: Hufschlag, der Zügel mit seinen scharfen Kanten in ihren behaarten schwieligen Händen, ihre kraftvollen Unterarme, ihre Schenkel, die sie dem Pferd fest in die Weichen presst.
    Es hatte an jenem Tag geregnet, doch weder die Tropfen auf seiner durchnässten Kutte noch das Grummeln des Donners vermögen den Generalinquisitor aufzuwecken, der weit vorgebeugt auf seinem Tier eingeschlafen ist. Als die Sonne tief am Himmel steht, öffnet Thomas Landegaard die Augen, richtet sich wieder auf und atmet tief ein. Es riecht nach Kiefern und Farn. Weit vor ihm zeichnen sich im Dunst die Berge ab, die das Dorf Pratobornum überragen. Der Anflug eines Lächelns legt sich auf seine Züge. So Gott will, wird er die nächste Nacht in einem richtigen Bett schlafen, nachdem er sich an einer Keule des jungen Zickleins satt gegessen hat, das einer seiner Armbrustschützen vor einigen Stunden erlegt hat. Er kann nicht ahnen, was ihn statt dieser einfachen Genüsse erwartet.

15
    Valentina kniet auf dem Parkett und fixiert mit einem Mittel aus einer Sprühdose die Fußabdrücke, die Ballestra im Staub dort hinterlassen hat. Sobald das Mittel fest geworden ist, stellt sie von eins bis sieben nummerierte Täfelchen daneben, um die Richtung anzuzeigen, in die der Archivar gegangen ist. Anschließend nimmt sie ihre kleine Digitalkamera heraus und macht eine Reihe von Blitzlichtaufnahmen.
    Dann fährt sie mit einem Finger über die Ränder der beiden ersten sich deutlich abzeichnenden und ziemlich tiefen Fußspuren, die genau nebeneinander liegen. Das blank gebohnerte versiegelte Parkett wirft den Schein ihrer Taschenlampe zurück. Hier, wo die von Staub bedeckte Fläche beginnt, muss der Archivar gestanden und gewartet haben, dass sich der

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