Das Evangelium nach Satan
zum ersten Mal die ganze Welt umrundet haben. Sie hatten die Herrschaft über das Gold der Inkas, die Gewürze Indiens und den gewaltigen Sklavenmarkt. Auf diese Weise ist es Novus Ordo im Laufe von Jahrhunderten gelungen, ein unermessliches Reich zu errichten. Die ihm angehörenden Familien haben Könige gestürzt und Revolutionen geschürt. Sie haben den Unabhängigkeitskrieg der amerikanischen Siedler finanziert und sind danach selbst auf die andere Seite des Atlantiks gezogen, um dort die großen Dynastien der Neuen Welt zu errichten. Auch die industrielle Revolution ist ihr Werk, die Ausbreitung des Eisenbahnwesens und der Luftfahrt, die Förderung von Erdöl auf der ganzen Welt und der internationale Handel bis hin zur heutigen Globalisierung. Hinter all diesen multinationalen Konglomeraten und Finanzimperien steht der Schatz des Templerordens. Er hat Jahrhunderte des Handels ermöglicht und seinen Eigentümern Zinsen und Dividenden in unvorstellbarer Höhe eingetragen. Die mächtigen Familien haben die Fackel weitergereicht, denn nach wie vor steht an der Spitze von Novus Ordo die Elite, die den größten Teil der Börsenplätze, die großen multinationalen Unternehmen und nahezu die Gesamtheit der Großbanken auf der Welt beherrscht. Novus Ordo errichtet Demokratien und stürzt Diktaturen, finanziert Revolutionen und schwächt Regierungen, deren Politik seinen Interessen zuwiderläuft. Wie in den einstigen Stadtrepubliken Genua, Florenz und Venedig kennt er kein anderes Ziel, als allen Reichtum der Welt an sich zu raffen und die Völker auszubeuten, um sich die eigenen Taschen immer mehr vollzustopfen. Diese Bereicherung aber ist nicht das eigentliche Ziel, sondern nur ein Begleitumstand. Worauf diese Leute in allererster Linie aus sind, ist die Vernichtung jeglicher Religion, um die Menschen noch besser unterjochen zu können. Ihr Ziel ist die absolute Macht.«
Schweigend betrachtet Giovanni eine ganze Weile sein leeres Glas. Dann hebt er erneut den Blick und sieht Kardinal Mendoza fest in die Augen.
»Gestatten Sie mir eine Frage, Eminenz.«
»Aber gern.«
»Woher wissen Sie das alles, wenn Sie nicht selbst dem Schwarzen Rauch angehören?«
10
Mendoza wechselt einen Blick mit Kardinal Giacomo, der bisher kein Wort gesagt hat. Jetzt hebt der alte Vorsitzende der Bischofskongregation den Kopf und führt aus: »Zu Beginn der Sechzigerjahre ist es uns unmittelbar vor der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils gelungen, beim Schwarzen Rauch einen der unseren einzuschleusen. Einen solchen Versuch hat der Vatikan nicht zum ersten Mal unternommen. Im Laufe der Jahrhunderte hat man insgesamt elf Männer ermordet aufgefunden, denen er nicht gelungen war, weil sie den Feind unterschätzt hatten. Allerdings kann man ihnen das nicht übelnehmen, wenn man bedenkt, dass wir bis auf den heutigen Tag nicht genau wissen, mit wem wir es da zu tun haben.«
Schweigen.
»Durch diese Fehlschläge gewarnt, haben wir uns die Personalakten künftiger Bischöfe besonders gründlich angesehen und uns dann für einen jungen päpstlichen Protonotar namens Armondo Valdez entschieden, von dem bekannt war, dass sein Glaube ebenso unerschütterlich war wie seine Aufrichtigkeit. Wir haben ihm dargelegt, was es mit dem Schwarzen Rauch auf sich hat und ihm, ohne ihm zu verhehlen, wie gefährlich ein solches Unterfangen sein könnte, vorgeschlagen, jener Bruderschaft beizutreten. Er hat sich dazu bereit erklärt, woraufhin wir seine Ausbildung in der päpstlichen Akademie und verschiedenen heiklen Nuntiaturen auf der ganzen Welt vier Jahre lang vervollkommnet haben. Überdies haben unsere Exorzisten ihn mit den Kräften des Bösen und dem Teufelskult vertraut gemacht.«
Nach kurzem Schweigen ergreift Kardinal Mendoza erneut das Wort: »In dieser Zeit wurde Valdez erst Bischof, dann Kardinal. Eine solche Blitzkarriere ist nur möglich, wenn der Schwarze Rauch seine Finger im Spiel hat. Schon wenige Wochen nach seiner Ernennung zum Kardinal hat er uns durch eine verschlüsselte Mitteilung wissen lassen, dass ihn jene Bruderschaft in ihre Reihen aufgenommen hatte.«
Schweigen.
»Entsprechend unserem Rat hat er sich drei Jahre lang passiv verhalten, um in der Bruderschaft möglichst fest Fuß zu fassen. Als er uns dann mitgeteilt hat, er gehöre inzwischen zum engen Kreis der auserlesenen acht Kardinäle an ihrer Spitze, haben wir ihn sozusagen aktiviert. Von da an hat er den Geheimnissen des Schwarzen Rauchs nachgeforscht und uns
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