Das Evangelium nach Satan
über sichere Kanäle seine Berichte zugeleitet. Alles in allem hatte uns das Ganze sieben Jahre der Geduld und schlafloser Nächte gekostet.«
»Was für Kanäle sind das?«
»In der Mehrzahl der Fälle bekamen einfache Missionare den Auftrag, die Berichte unseres Mannes aus Schließfächern an Flughäfen abzuholen und uns persönlich zu überbringen.«
»Und was stand in diesen Berichten?«
»Genau genommen hatte Kardinal Valdez zwei Aufträge: Zum einen sollte er die Verzweigungen des Novus Ordo auf der ganzen Welt erkunden, und zum anderen so weit wie möglich feststellen, wer die sieben anderen Kardinäle an der Spitze jener Loge waren. Insbesondere lag uns daran zu erfahren, wer der Großmeister der Loge war. Die Hauptschwierigkeit bei dieser Aufgabe liegt darin, dass normalerweise keiner dieser Männer weiß, wer die anderen sind, denn sie treffen sich grundsätzlich maskiert und mit Stimmverzerrern ausgerüstet. Wen man nicht kennt, den kann man auch nicht verraten. Lediglich der Großmeister und ein ihm besonders vertrauter Kardinal kannten die anderen Mitglieder, von denen keines bei einer ihrer Sitzungen jemals das Gesicht auch nur eines der anderen gesehen hatte. Vor einer Woche aber ist es Kardinal Valdez gelungen, in einem abgelegenen Haus im Norden Schottlands einen von ihnen zu fotografieren. Er hat seine Aufnahmen an mehrere Missionsstationen auf der ganzen Welt geschickt und seine Kommentare dazu mithilfe des Templer-Schlüssels auf ein Blatt geschrieben.«
»Und wen hat er fotografiert – den Großmeister des Schwarzen Rauchs?«
»Das nicht, aber Kardinal Camerlengo Campini, dessen Nummer zwei.«
Schweigen.
»Und wer ist die Nummer eins?«
»Das ist uns leider nicht bekannt. Wir wissen lediglich, dass die Bruderschaft ihn dazu ausersehen hat, die Nachfolge des Papstes anzutreten, sofern es ihr gelingt, die Stimmen im Konklave auf ihn zu vereinigen. Nach dem, was uns Dom Gabriele vorhin mitgeteilt hat, scheint dieser Plan aufzugehen, zumal der vom Papst als sein möglicher Nachfolger Nominierte bei dem Flugzeugunglück über dem Atlantik auf tragische Weise umgekommen ist.«
»Kardinal Centenario? Sie glauben doch nicht etwa, dass …«
»Zu dem, was Kardinal Valdez ermitteln konnte, gehörten auch die Vorbereitungen des Anschlags auf die Maschine der Cathay Pacific und dessen Durchführung am Vorabend der letzten Zusammenkunft des Schwarzen Rauchs.«
»Soll das heißen, dass dessen Großmeister im Kreis der Kurienkardinäle zu suchen ist?«
»Die Möglichkeit besteht. Mit Sicherheit ist es jemand, den wir alle gut kennen.«
»Und kann Kardinal Valdez nicht versuchen, die Sache innerhalb der Bruderschaft zu torpedieren?«
Mendoza und Giacomo wechseln erneut einen Blick. Dann sagt der alte vatikanische Staatssekretär mit müder Stimme: »Von Anfang an war mit ihm vereinbart, dass wir, sollte ihm etwas zustoßen, einen versiegelten Umschlag bekommen würden, dessen Inhalt uns mitteilt, wo wir die vollständigen Unterlagen mit den Ergebnissen seiner dreißigjährigen Nachforschungen im Netz des Novus Ordo finden können.«
»Ja, und?«
Mendoza nimmt einen Umschlag aus seiner Soutane. Giovanni schließt die Augen. »Das hat uns vergangene Nacht ein Sonderkurier gebracht. Es kommt von der Lazio-Bank in Malta.«
»Dann ist alles aus.«
»Vielleicht auch nicht.«
»Wie das, Eure Eminenz? Valdez ist tot, Centenario und zehn weitere Prälaten sind beim Flug über den Ozean umgekommen, die Hälfte der Teilnehmer am Konklave wird demnächst erfahren, dass höchste Lebensgefahr für ihre Angehörigen besteht, wenn sie nicht für den Kandidaten des Schwarzen Rauchs stimmen, der Camerlengo, der dieser Bruderschaft angehört, beherrscht den Vatikan, bis das Ergebnis der Wahl feststeht, und wir wissen nicht einmal, wer der Großmeister jenes Ordens ist.«
»Hier komme ich ins Spiel, Eure Eminenz.«
Giovanni wendet sich zu Dom Gabriele um, der erneut lächelt.
»Da wüsste ich aber gern, wie Sie das anstellen wollen.«
»Meine Leute werden Sie zum Flughafen begleiten, von wo ein Hubschrauber Sie nach Marina di Ragusa an der Südspitze Siziliens bringt. Von dort fahren Sie mit einem Fischkutter nach Malta. Wenn Sie sofort aufbrechen, können Sie morgen in aller Herrgottsfrühe dort sein und zur Lazio-Bank gehen; für gute Kunden ist sie jederzeit geöffnet.«
»Und warum kann ich nicht die ganze Strecke im Hubschrauber zurücklegen?«
»Weil mein Territorium in Marina di Ragusa endet.
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