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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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Einbruch der Dämmerung imstande war, um sich herum Einzelheiten zu erkennen. Etwa so, wie die Chiacahua-Indios im Orinoko-Becken. Diesen tief im Regenwald lebenden Stamm haben Forscher in den Dreißigerjahren entdeckt. Die Chiacahua lebten in einem so dunklen Teil des Urwaldes, dass das Blätterdach nur einen ganz schwachen Lichtschimmer durchließ. Auffällig war, dass der Kristallkörper beider Augen bei den meisten Angehörigen des Stammes teilweise undurchsichtig wurde. Dies Merkmal fand sich schon bei Neugeborenen, von denen die meisten mit weißen Augen zur Welt kamen – Nachtsichtaugen.«

10
    »Und was ist dann geschehen, Eure Heiligkeit?«
    Der Papst verharrt eine Weile in Schweigen. Da er schon seit über einer Stunde spricht, beginnt Camano zu fürchten, dass der Greis nicht mehr die Kraft hat fortzufahren. Doch dann nimmt er den Faden wieder auf: »Unmittelbar nach der Festnahme der Templer und nachdem man die Kardinäle getötet hatte, die sich zum Kult des Janus bekannten, wurde das Satansevangelium unter scharfer Bewachung ins Kloster der Weltfernen Schwestern vom Mons Cervinus gebracht. Diesen Berg nennt man inzwischen das Matterhorn. Nachdem sich die Nonnen dort vierzig Jahre lang gründlich mit dem Text beschäftigt hatten, haben in der Nacht vom 13. auf den 14. Januar des unseligen Jahres 1348, in dem die Pestepidemie ganze Landstriche verwüstete, Mönche, die nichts von Gott wussten und keinem Orden angehörten, die Lage ausgenutzt, das Kloster überfallen und die Schwestern abgeschlachtet. Zweck ihres Angriffs war es, das Evangelium des Satans in ihren Besitz zu bringen.«
    »Dann waren sie also die Seelenräuber?«
    »Ja – der bewaffnete Arm der Kardinäle des Schwarzen Rauchs. Zweifellos handelte es sich um Abkömmlinge von Templern, welche die Zerschlagung ihres Ordens überlebt hatten.«
    Schweigen.
    »Und das Evangelium?«
    »Wir wissen, dass es in jener Nacht einer alten Nonne gelungen ist, mit der Handschrift aus dem Matterhorn-Kloster zu fliehen. Nach der Durchquerung der Alpen ist sie an ein abgelegenes Augustinerinnen-Kloster in den Dolomiten gelangt. Dort verliert sich ihre Spur wie auch die des bewussten Evangeliums. Niemand hat je wieder davon reden hören.«
    »Ist das der Grund dafür, warum die Morde an Weltfernen Schwestern über die Jahrhunderte hinweg nicht aufhörten?«
    »Ja. Zweifellos haben die Kardinäle des Schwarzen Rauchs angenommen, es sei der Kirche gelungen, das Evangelium wieder an sich zu bringen und der Papst habe es erneut diesen Nonnen anvertraut. In der Tat hatten sie zu der Zeit, als es sich noch in ihrer Obhut befand, einige Auszüge daraus abgeschrieben, die frühere Päpste über verschiedene Klöster jenes Ordens verteilt hatten, zuerst in Europa, dann in Afrika und nach der Entdeckung Amerikas auch dort. Doch weder die großen Entfernungen noch die Ozeane waren für die Seelenräuber ein Hindernis, und so hat das Morden bis auf den heutigen Tag nicht aufgehört.«
    »Soll das heißen, dass der Schwarze Rauch des Satans nach wie vor existiert und sogar im Vatikan weiter sein Unwesen treibt?«
    Langsam hebt der Papst den Kopf.
    »Die letzten Morde haben nach der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert stattgefunden. Damals hatten wir angenommen, die Sache sei ausgestanden. Aber wie die Pest flammen die Morde immer wieder neu auf. Wenn man glaubt, es ist vorbei, fängt es wieder von vorn an. Es fängt immer wieder von vorn an.«
    Schweigen.
    »Eins verstehe ich nach wie vor nicht, Eure Heiligkeit.«
    »Nämlich?«
    »Welche Erklärung gibt es dafür, dass sich der Schwarze Rauch so beharrlich um ein altes Buch bemüht, das für sich genommen nicht das Geringste beweist?«
    Schwerfällig steht der Papst auf und geht zu dem schweren Panzerschrank, in dem er seine geheimsten Dokumente aufbewahrt.
    »Nachdem Robert de Sablé das Evangelium in den Kellergewölben der Festung von Akkon gelesen hatte, hat er seine Tempelritter ins nördliche Galiläa geschickt, wo jener Handschrift zufolge tausend Jahre zuvor die Jünger, die Zeugen des Abfalls Christi von Gott geworden waren, die sterbliche Hülle des Janus begraben hatten.«
    »Und?«
    Die schwere Stahltür öffnet sich knirschend. Der Papst entnimmt dem Tresor eine Samthülle und reicht sie Camano. Dieser knotet die Schnur auf, die sie verschließt. Sie enthält einen von Feuer geschwärzten Knochen, ein Stück Schienbein. Während der Papst weiterspricht, zieht sich Camanos Herz zusammen.
    »Dieser Knochen

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