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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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aufmerksam zu machen: das Feuer, das Blut und der Tod, Symbole ewiger Verdammnis.
    Darunter ein Datum: der sechzehnte Tag im zweiundachtzigsten Jahr des siebten Sonnenzyklus. Carzo spürt, wie seine Seele förmlich unter einem Eishauch erstarrt. Da jeder Zyklus des Sonnenkalenders der Azteken vierhundert Erdenjahren entspricht, wäre demzufolge die Geißel der Olmeken nach abendländischer Zeitrechnung am dritten April des Jahres dreiunddreißig gestorben. Am selben Tag wie Christus.
    Gerade, als Carzo mit den Fingern leicht über das Gesicht des Gekreuzigten fahren will, ertönt in der Dunkelheit dasselbe Geheul wie das, bei dem Alamedas Haare weiß geworden sind. Das Untier ruft ihn. Es ist ganz nahe.
    Carzo macht sich wieder auf den Weg. Nach wenigen Schritten stößt er auf eine Höhle im Herzen des Berges. Seine Fackel ist gerade ausgegangen. Vor sich erkennt er einen Kreis aus Kerzen, deren Licht in der Dunkelheit zittert. Aus der Mitte dieser leuchtenden Erscheinung sieht das Wesen, das zuvor Maluna war, mit vor Hass leuchtenden Augen zu, wie er sich nähert.

10
    Schwere Regenschauer gehen nieder, als sich der Flug 554 der United mit Ziel Denver schwerfällig vom Boden löst und in der dichten Wolkenschicht über Massachusetts verschwindet. Während des Steigflugs klammert sich Maria fest an die Armlehnen. Sie fährt zusammen, als die Kabinenbeleuchtung mit einem Mal erlischt, sodass die Gesichter der Mitreisenden nur noch im Halbdämmer zu sehen sind. Die Triebwerke heulen im Gewittersturm. Rechts, wo Maria am Fenster sitzt, zuckt grell ein Blitz durch die Dunkelheit. Sie schließt die Augen und versucht sich zu entspannen, indem sie ganz langsam durch die Nase einatmet. Ein sonderbarer Geruch hängt in der Kabine, wie von Fäulnis. Er scheint von irgendwo aus der Ferne zu kommen, nähert sich ihr immer mehr. Gerade, als sie die Augen öffnen will, dringt er tief in ihre Nase ein. Etwas bewegt sich links von ihr. Sie erstarrt. Es setzt sich neben sie, ja, es strömt den Geruch des Todes aus. Sie würde gern die Augen öffnen, aber die Lider gehorchen ihr nicht. Sie umklammert mit aller Kraft die Armlehnen. Ich will nicht wissen, was da neben mir sitzt. Großer Gott, mach, dass das wieder verschwindet …
    Maria merkt, wie die Haare des Wesens ihre Schulter streifen. Sie dreht sich ein wenig nach links. Ihr Herz schlägt heftig, als sie die tote Rachel neben sich sitzen sieht. Die junge Frau hält den Kopf gesenkt, sodass ihr die vom Schlamm verklebten Haare das Gesicht verdecken. Ein Blitz zerreißt den Himmel im selben Augenblick, in dem Rachel den Kopf hebt und Maria aus leeren Augenhöhlen ansieht.
    Eine unirdische Stimme kommt aus ihrem Mund: »Wohin willst du, Maria?«
    Wieder schließt Maria die Augen und konzentriert sich mit aller Kraft darauf, die Vision zu beenden. Sie spürt, wie sich Rachels Hand auf ihren Arm legt, ihre mit Erde bedeckten Finger sich um ihr Handgelenk schließen. Dann hüllt der Fäulnisgeruch ihr Gesicht ein, als sich Rachel zu ihr herüberbeugt. Ihre verwesten Lippen bewegen sich nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt. »Glaubst du wirklich, dass ich dich einfach gewähren lasse, liebe Maria?«
    In dem Augenblick, in dem sie aufschreien will, fällt unvermittelt Tageslicht zum Fenster herein. Die Boeing 737 hat die Wolkendecke durchbrochen. Maria öffnet die Augen und erschrickt, als sie sieht, dass sich eine hinreißend schöne Flugbegleiterin über sie beugt.
    »Ist Ihnen nicht gut?«
    »Wie bitte?«
    »Sie haben aufgeschrien.«
    Das Parfüm, das die Frau umhüllt, vertreibt den Aasgeruch. Maria atmet tief ein, um möglichst viel von dem Duft mitzubekommen, und deutet ein Lächeln an.
    »Nur ein böser Traum.«
    »Ein böser Traum? Sag lieber, dass es ein verdammter Albtraum war, liebe Maria.«
    Maria erstarrt vor Angst, als sie sieht, wie die Flugbegleiterin lächelt und dabei eine Reihe von Reißzähnen entblößt. Erneut schließt sie die Augen und schiebt die Vision von sich. Als sie wieder hinsieht, sind die Zähne der Frau ganz normal.
    »Fehlt Ihnen wirklich nichts?«
    Maria schüttelt den Kopf und sieht der Flugbegleiterin nach, die sich langsam entfernt. Tief atmet sie die Kabinenluft ein, im Versuch, ihren beschleunigten Puls zu beruhigen.
    Noch nie waren ihre Visionen so stark – als sei der Bereich, dem sie entstammen, im Begriff, weitere brachliegende Gebiete ihres Gehirns zu besiedeln.
    In letzter Zeit war sie dazu übergegangen, sich den Bereich

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