Das Evangelium nach Satan
Monrovia aufgegebenen Anzeige. All das legte den Schluss nahe, dass der Mord von Buchanan nicht der erste in der Serie war und die vier Frauen Kaleb bereits vor ihrer Ankunft in Liberia im Visier gehabt hatten.
Maria blättert weiter auf der Suche nach einem früheren Mord an einer Weltfernen Schwester. Nichts. So, als habe alles gleichsam aus dem Nichts dort in Liberia begonnen. Dann fällt ihr Blick auf eine Anzeige, die zwei Monate früher in einer Zeitung von Cairns erschienen war, einer australischen Kleinstadt zwischen dem Golf von Carpentarie und dem Großen Barriere-Riff.
Ihr Lieben, Großvater ist wieder da. Kommt rasch.
Mary-Jane
»Großvater ist wieder da.« Da ist er, der erste Mord, nach dem Maria gesucht hat. Hier beginnt die Jagd. Begierig öffnet sie ein Notizbuch mit Spiralheftung, das die Leute vom FBI in Barkos Zimmer gefunden haben: »Der Wanderer ist zurück …«
Als Maria diesen Satz liest, den die Nonne auf die erste Seite geschrieben hat, spürt sie, wie ihr die Angst die Kehle verbrennt. Mary-Janes Handschrift ist kaum lesbar, sie scheint die Worte unter dem Eindruck eines unsagbaren Entsetzens niedergeschrieben zu haben. Aber außer der Angst, die sich darin spiegelt, bedeutet der Satz vor allem, dass die Morde von Cairns und Buchanan auf keinen Fall die ersten gewesen sein können. Im Gegenteil, es sieht ganz so aus, als hätten die vier Nonnen, so wie Maria auf der Jagd nach ihren Crosskillern, die sie kreuz und quer über den Planeten führt, schon seit Jahren auf die Fortsetzung der Mordserie gewartet.
Sie blättert das Heft mit Mary-Jane Barkos zusammenhanglosen Notizen durch: Daten, Namen und Adressen in den zahlreichen Städten, durch die ihre Jagd sie geführt hat. Maria atmet rascher. Die nächsten Seiten sind mit grauenhaften Zeichnungen bedeckt: gekreuzigte alte Frauen, geöffnete Gräber und ganze Wälder von Kreuzen. Mary-Jane Barko muss gelitten haben – ungefähr so wie die FBI-Leute, bei denen die Sicherungen durchbrennen, wenn sie auf den Leichenberg stoßen, den ein Serienmörder hinterlassen hat.
Auf den letzten Seiten entdeckt Maria drei Sätze, die Mary-Jane Barko in Großbuchstaben geschrieben hat:
∗ ∗ ∗
ES KEHRT WIEDER.
ES KEHRT IMMER WIEDER ZURÜCK.
MAN GLAUBT, ES SEI TOT,
ABER ES KOMMT WIEDER.
∗ ∗ ∗
Maria schließt die Augen. Ja, so war es wohl gewesen: In dem Augenblick, als die Nonne diese Sätze niederschrieb, dürfte sie im Begriff gestanden haben, die Nerven zu verlieren.
13
Nach dem Mord in Liberia hatte es von den vier Nonnen nahezu vier Wochen lang kein Lebenszeichen gegeben. Zwanzig Tage der Stille, an denen sie dem Golf von Guinea folgend auf Kalebs Fährte südwärts gezogen waren.
Die nächste Anzeige hatte Sandy Clarks am 7. August in einer überregionalen Zeitung der Demokratischen Republik Kongo aufgegeben. Aus dem verschlüsselten Text ging hervor, dass eine alte schwarze Nonne aus dem Kloster der Weltfernen Schwestern von Kinshasa ermordet worden war. Gleich am nächsten Tag waren die drei anderen Verfolgerinnen zu Clarks gestoßen und hatten gemeinsam mit ihr die Zelle der Ermordeten durchsucht. Der Akte zufolge war es Kaleb gelungen, einen Auszug aus dem Satansevangelium an sich zu bringen, das Weltferne Schwestern im Mittelalter kopiert hatten, bevor die Original-Handschrift verschwunden war. Die in diesem Auszug enthaltenen Geheimnisse waren ihm wohl hinreichend erschienen, um die Ermordung jener zu »rechtfertigen«, die ihn seit Jahrhunderten hüteten.
Beim Weiterblättern stößt Maria auf eine Anzeige von Sandy Clarks, die einen Monat später in der südafrikanischen Zeitung Mail & Guardian erschienen ist. Sie war gerade in der Hafenstadt Durban am Indischen Ozean eingetroffen. Bei ihrer Suche in den Elendsquartieren nahe den Kaianlagen schien sie etwas entdeckt zu haben, denn sie teilte den anderen mit:
∗ ∗ ∗
Liebe Cousinen.
Tante Jenny schwer krank. Addington-Krankenhaus Durban.
Kommt schnell.
∗ ∗ ∗
Maria liest den von Lieutenant Mike Douwey von der Kriminalpolizei des Bezirks Durban verfassten Bericht. Darin heißt es, man habe eine alte Nonne, wieder vom Orden der Weltfernen Schwestern, die in der Zelle ihres in der Provinz Kwazulu-Natal gelegenen Klosters gekreuzigt aufgefunden worden war, in die Notaufnahme eines Krankenhauses gebracht. Entdeckt worden sei die Unglückliche von einer jungen Frau, die sich als ihre Nichte bezeichnet hatte. Deren Cousinen seien am nächsten
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