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Das ewige Leben

Das ewige Leben

Titel: Das ewige Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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er alles. Und gerochen. Seine eigene Angst hat er gerochen. Aber nicht, weil er nichts gesehen hat, hat er sich so gefürchtet. Sondern den Angstschweiß hat es ihm erst herausgetrieben, wie er den Polizeifunk im Wagen gehört hat.
     

6
    Der Brenner hat die Stimme vom Kripochef Aschenbrenner sofort erkannt.
    »Saubere Arbeit, Major Heinz«, hat der dem Entführer gratuliert, der den Brenner nach ein paar Minuten Autofahrt in einen Lift gestoßen hat und mit ihm so lange aufwärts gefahren ist, dass der Brenner sich gefragt hat, ob es in Graz überhaupt so hohe Häuser gibt.
    »Wir liefern schneller als die Konkurrenz«, hat der Major Heinz mit einer überraschend fröhlichen Stimme geblödelt, weil ich glaube, der hat gern Leute zugestellt. »Sonst noch ein Wunsch? Ketchup, Mayonnaise dazu, oder vielleicht ein Kaltgetränk?«
    »Trinkgeld kriegst du nächstes Mal. Nimm ihm die Kappe und die Handschellen ab und verschwinde.«
    Aber nicht dass du glaubst, wie der junge Major ihm die Kappe abgenommen hat, ist dem Brenner sechs Wochen nach dem Aufwachen neben dem Jimi Hendrix schon wieder vorgekommen, er ist im Himmel gelandet. Er hat den Himmel gesehen, das schon. Aber geglaubt hat er, er ist im Paradies gelandet.
    Und Paradies sogar Hilfsausdruck für die Wohnung vom Grazer Kripochef. Ein Dachgarten voller blühender Pflanzen mitten im Winter, so was hat der Brenner in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen.
    Nachdem der Major Heinz sich verzogen hat, ist er mit dem Aschenbrenner allein gewesen in seinem Paradies mit dem Blick über die Grazer Dächer. Aber der Brenner natürlich keinen Blick für die gewaltige Aussicht. Weil jetzt ist etwas passiert, was nur unter Spitzendetektiv und Spitzengauner passieren kann. Das mit dem Einfühlen.
    Der Brenner hat sich selber mit den Augen vom Aschenbrenner gesehen, sprich ohne Farbfehler. Und im Gegensatz zu den Tagen in der Klinik hat er überhaupt keine richtige Wut auf den Aschenbrenner gehabt, weil viel zu gut eingefühlt. Das ist ja überhaupt immer wieder interessant. Manche Dinge kann man mit Menschen besser machen, wenn sie nicht anwesend sind. Ich rede jetzt gar nicht großartig von der Liebe, weil natürlich Liebe geht mit Anwesenden grundsätzlich nicht, das versteht sich von selbst. Aber beim Hass ist es genauso. Bei der mörderischen Wut, bei der Todesangst ist es genauso. Sobald man seinem Gegenüber zu nahe kommt, ist man irgendwie enttäuscht.
    Sich selber mit den Augen vom anderen sehen, das sagt man so leicht. Nicht nur immer mit der eigenen Perspektive, auch einmal aus den Augen vom lieben Nächsten hinausschauen, das ist sogar für die menschliche dings das Wichtigste. Aber wer denkt an das Problem mit den Spitzenleistungen? Weil bei den Spitzenleistungen ist es ja oft so, dass sich der ursprüngliche Effekt umkehrt. Der Spitzensportler kann nicht mehr richtig gehen, der Spitzenschauspieler kann nicht mehr normal reden, und das Einfühlen kann beim extremen Spitzenniveau leicht einmal ins Unmenschliche kippen.
    Aber als Detektiv hast du einfach keine Chance, wenn du dich nicht in den Gauner einfühlst. Immer in den anderen hineindenken, ausgerechnet in den Gegner hineindenken. Das ist ja das Schwierigste in diesem Beruf, du jagst den Gauner, aber du erwischst ihn nur, wenn es dir gelingt, dass du die Welt so siehst, wie er sie sieht. Im Grunde musst du denken, wie er denkt, musst du sogar fühlen, wie er fühlt.
    Jetzt was hat der Brenner vom Aschenbrenner aus gefühlt? Leider muss ich sagen, gar nichts. Oder sagen wir einmal so. Er hat gemerkt, dass der Aschenbrenner sich gerade hundertprozentig in ihn einfühlt, jetzt ist er wieder dort gewesen, wo jeder Normalmensch ohne die Einfühlung auch ist. Das war eine brutale Pattstellung zwischen den beiden, weil einer hat sich besser in den anderen hineinversetzt als der andere, Ringelspiel Hilfsausdruck.
    Da hat man wirklich noch die alte Polizeischule gemerkt. Das können die jungen Leute ja gar nicht mehr. Da würde heute jeder sofort umkippen, wenn er so ein Duell nur ein paar Sekunden aushalten müsste, weil wahnsinnige Belastung, wie du da als Spitzendetektiv und als Spitzengauner auf beiden Seiten gleichzeitig stehen musst.
    »Geht es dir wieder besser?«, hat der Aschenbrenner endlich gefragt.
    Der Brenner war froh, dass der Brigadier mit dem Reden angefangen hat. Weil durch das Reden sind die Leute wieder auseinander gekommen, sprich klare Unterscheidung, da der Aschenbrenner, da der Brenner, jetzt

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